Die "New York Times", für die Bill Cunningham fast 40 Jahre gearbeitet hatte, würdigte ihn am Samstag als "untypischen kulturellen Anthropologen".

Mit seiner blauen Jacke, seiner leicht gebeugten Haltung und mit dem Auge stets am Sucher war Cunningham seit Jahrzehnten eine bekannte Gestalt auf Modeevents. Der 1929 in Boston geborene Cunningham habe ein Gespür dafür gehabt, was "der Trend in sechs Monaten ist", sagte die Vogue-Chefredakteurin Anna Wintour einmal in dem Dokumentarfilm "Bill Cunningham New York". Der umfassend gebildete, aber diskrete Mann, der in New York zumeist mit dem Fahrrad unterwegs war, habe es verstanden, neue Trends bei Modeschauen, Galaempfängen und vor allem auf der Straße zu entdecken.

Die Straße sprechen lassen

"Man muss die Straße die Geschichte erzählen lassen", sagte Cunningham 2014 einer Nachrichtenagentur. "Man darf keine vorgefasste Vorstellung haben, man muss rausgehen und die Straße sprechen lassen." Cunningham hatte zunächst als Hutmacher für die Frauen der New Yorker Gesellschaft gearbeitet, bevor er sich mit Modefotos von Unbekannten aber auch Berühmtheiten wie Greta Garbo einen Namen machte.

In der "New York Times" hatte er seit Jahrzehnten die wöchentliche Kolumne "On the Street", in der er die neusten Straßentrends abbildete und somit den New Yorkern ein Denkmal setzte. "Wir erinnern uns an Bills blaue Jacke und sein Fahrrad", schrieb Bürgermeister Bill de Blasio am Samstag. "Aber wir werden uns vor allem an das lebhafte und lebendige New York erinnern, das er in seinen Fotos einfing."

Laut der "New York Times" war Cunningham kürzlich wegen einer Herzattacke ins Krankenhaus gebracht worden. "Seine Gesellschaft wurde von den Reichen und Mächtigen der Modewelt gesucht, doch er bleiben einer der freundlichsten, sanftesten und bescheidensten Menschen, die ich je gekannt habe", erklärte der "Times"-Herausgeber Arthur Sulzberger Junior am Samstag. "Wir haben eine Legende verloren".