Eigentlich wäre Nino Cerruti lieber Journalist geworden. Doch kurz vor seinem 20. Geburtstag starb sein Vater, und als ältester Sohn musste er den Familienbetrieb übernehmen. Er schmiss sein Studium der Politikwissenschaften und leitete fortan die vom Großvater im Jahr 1881 gegründete Tuchweberei in Biella im norditalienischen Piemont. Textilien statt Texte hieß es fortan also, doch seine Kreativität machte Cerruti zum weltberühmten Modeschöpfer. Am Freitag (25.9.) wird er 85 Jahre alt.
Es vergingen dann gut eineinhalb Jahrzehnte, bevor Cerruti den Sprung in die Modebranche wagte. 1967 eröffnete er in Paris seine erste Herren-Boutique und mit dieser das Design-Zentrum "Cerruti 1881". Binnen weniger Jahre gewann er mit seinen Pret-a-porters für Männer eine große internationale Kundschaft. Erst ab Mitte der 70er-Jahre machte er auch Frauenmode und ging damit den umgekehrten Weg der anderen Pariser Couturiers, die alle von der Frauenmode kamen. Auch mit Parfümkreationen für Männer wie Frauen machte sich Cerruti einen Namen, später kam noch Sportbekleidung ins Sortiment.
Der Grandseigneur der italienischen Mode steht für Eleganz und Understatement und eine gewisse Lässigkeit. Seine Schöpfungen gelten als unaufdringlich elegant, als Mode für den Alltag. Er hat nicht nur Politiker eingekleidet, sondern auch die Stars in Dutzenden Hollywood-Filmen. Er habe immer vorher die Drehbücher gelesen, um die Schauspieler passend zu den Rollen auszustatten, die sie verkörperten, erzählte er.
In einem "Playboy"-Interview kritisierte Cerruti 2009, dass sich die meisten Politiker schlecht anzögen, weil ihnen einfach niemand erkläre, wie es gehe. "Ich frage mich dann immer, ob es niemanden gibt, der sie beraten könnte", sagte Cerruti. Zu seinen prominenten Kunden zählte auch Joschka Fischer zu seiner Zeit als abgespeckter Außenminister. "Er war schlank, jedenfalls passte ihm jeder Anzug, den ich ihm gemacht habe", erinnerte sich Cerruti.
Als verhinderter Journalist fand der junge Fabrikdirektor Cerruti 1955 immerhin noch die Zeit, gemeinsam mit Freunden das Magazin "L'Espresso" zu gründen, bis heute eine der angesehensten Wochenzeitungen in Italien. Zu seinem Markenzeichen wurde der gelbe Pullover, den er 30 Jahre lang trug, wenn er sich auf dem Laufsteg vor dem Publikum verbeugte.
War es immer derselbe? "Nein, allein deswegen nicht, weil mein Körperumfang sich verändert hat. Zwei Konfektionsgrößen sind am Ende dazugekommen", verriet Cerruti 2005 in einem Interview der Illustrierten "Stern".