„Aufwachen!“, brüllt Denzel Washington, als er zum Interview in den Raum stürmt. Der Mann ist ein Megaphon. Die Namen etlicher seiner Filme bringen die Persönlichkeit des Schauspielers gut auf den Punkt: „The Hurricane“, „Man on Fire“, „Unstoppable“. Der 69-Jährige trägt schwarze Jeans, ein schwarzes T-Shirt, der Kopf ist kahl rasiert. Aber dieses zurückhaltende Äußere ist bloß die Ruhe vor dem Sturm. Man trifft Washington nicht, man erlebt ihn.

Von „Glory“ über „Malcolm X“ und „Philadelphia“ bis hin zu „Training Day“ hat der Schauspieler stets begeisterte Kritiken erhalten. Jetzt folgten, einige der besten seiner Karriere – für seine Rolle des Bösewichts in „Gladiator II“. Er ist der Sklave, der selbst zum Sklavenhalter wird und es mit den Herrschern von Rom aufnehmen will.

Liest er Kritiken? „Ich lese sie alle“, brummt Washington und scherzt offensichtlich. Als Nebendarsteller stiehlt er jedenfalls den anderen in „Gladiator II“ die Show. Die Leute sagten, dass er beim Drehen eine Menge Spaß hatte. „Habe ich auch schon gehört. Macrinus zu spielen, war gut. Er will Macht. Und wie? Auf Biegen und Brechen, mit Charme, Lächeln, Sex, Mord, Beziehungen und Politik. Was auch immer nötig ist.“

Zwischen Bühne und Leinwand

Washington wird Ende Dezember 70 Jahre alt. Er schauspielert seit fast 50 Jahren, an der Fordham University in seiner Heimatstadt New York fing er am Theater an. Gibt es irgendeine Ähnlichkeit zwischen der Schauspielerei als Student auf der Bühne und in einem 250 Millionen Dollar teuren Film? „Kein Unterschied“, sagt er. „Man ist immer noch auf dem Set. Die Leute sagen, Ridley Scott hat für ,Gladiator II‘  Rom gebaut. Aber nein, er hat ein Set gebaut, das wie Rom aussah. Die Rückseite war aus Holz. Es war nicht Rom rundherum. Du bist immer doch nur Schauspieler.“

Washington, vor zwei Jahren von der „New York Times“ zum besten Filmschauspieler des 21. Jahrhunderts gekürt, füllt die Leinwand aus, eine Fähigkeit, die sonst große britische Shakespeare-Schauspieler haben. Nächstes Jahr wird er selber wieder einer, wird als Othello am Broadway wieder auf der Bühne stehen, zusammen mit Jake Gyllenhaal als Jago. „Othello“ war eines der ersten Stücke, in denen Washington auftrat. „Mit 22.“ Welche Neuerung bringt er jetzt in die Rolle ein? „50 Jahre an Neuem.“

Der Hollywoodstar hat vier Kinder mit seiner Frau Pauletta, von denen zwei – John David und Olivia – ebenfalls Schauspieler sind. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie auf die Bühne gehen müssen, dort lernt man, wie man schauspielert. Im Fernsehen oder im Kinofilm lernt man das nicht. TV und Film sind das Medium des Regisseurs, dort hat er die Kontrolle.“

Auch „Schrottfilme“ waren dabei

Nach dem Nebenrollen-Oscar für das Bürgerkriegsdrama „Glory“ (1989) und dem Beifall für die Bürgerrechtsbiografie „Malcolm X“ (1992) war Washington um die Jahrtausendwende auf Höhenflügen. Für das Boxerdrama „The Hurricane“ (2000) wurde er erneut für den Oscar nominiert; den Hauptdarsteller-Oscar gewann er für seine Glanzleistung als korrupter Cop in „Training Day“ (2001). „Aber nach ,Malcolm X‘ habe ich schon auch ein paar echte Schrottfilme gemacht“, gesteht Washington.

„Ich bin ein einfacher Kerl und habe einen tollen Job“, so sieht sich Washington selbst und versucht, „ein guter Mensch zu sein und das Richtige zu tun. Neulich etwa hielt ich zum Tanken an, und da fiel mir eine verwirrte Frau auf. Meine Schwester hat eine bipolare Störung, so erkannte ich sofort, dass die Frau psychisch krank war. Also sagte ich zu ihr: ,Hi, wie geht‘s?‘ Brauchen Sie Geld? 500 Dollar? Sie sagte: ,Nein, 1000 Dollar!‘. So ganz verwirrt war sie dann also doch nicht“, sagt Washington lachend. Hat sie ihn, den berühmten Schauspieler, erkannt? „Ich glaube nicht, aber ich habe ihr Geld gegeben“.

Washington hat noch mehr solche Episoden auf Lager, die den Eindruck erwecken, dass er einfach durch Los Angeles fährt und nach verzweifelten Seelen sucht. Ein „aufgewühltes“ Kind, das nach Gott fragte. Ein gestresster Obdachloser auf dem La Cienega Boulevard. „Ich selbst trinke seit zehn Jahren nicht mehr. Keine Zigaretten, kein Alkohol. Aber ich bin während Covid fett geworden. Ich habe zu viel Eiscreme gegessen.“

Politik der nicht eingehaltenen Versprechen

Denzel Washington wurde 1954 in Mount Vernon in der Nähe von New York als Sohn eines Predigers und einer Angestellten eines Schönheitssalons geboren. Er wuchs an verschiedenen Orten auf, vor allem aber – mit einer Unterbrechung in Florida – im Bundesstaat New York.

Als Kind interessierte er sich nicht wirklich für die Kunstform, die ihm seine Karriere bescherte. „Ich kann tatsächlich nicht sagen, dass ich mit der Liebe zu Filmen aufgewachsen bin und mit ihnen aus der Realität in die Phantasie flüchten wollte“, sagt Washington, „wir wollten als Jugendliche einfach auf der Straße sein. Wie die Leute in ,Shaft‘ oder ,Super Fly‘ Dope verkaufen und Autos haben, wie Zuhälter aussehen. Nun, ich habe zwar Drogen verkauft, aber kein Auto bekommen.“ Stattdessen wechselte er nach einem Journalismusstudium zur Schauspielerei – inspiriert von „Pacino, De Niro, Hoffman“ und von Martin Scorsese, weil er das Gefühl hatte, dass er etwas mit deren Straßenstil und Frechheit gemeinsam hatte.

Wir kommen am Ende noch auf die Politik zu sprechen. Ein Schlüsselsatz in „Gladiator II“ lautet: „Imperien fallen, Imperatoren auch“. Gerade passend angesichts der jüngsten Präsidentschaftswahlen in den USA. „Wissen Sie, es ist so einfach, Amerika von außen zu betrachten und dies und jenes zu kommentieren“, sagt Washington. „Aber schauen Sie sich um! Wählen Sie ein Land. Irgendeines.“ Er meint damit im Wesentlichen, dass man im Glashaus nicht mit Steinen werfen sollte. „Politik besteht oft aus nicht eingehaltenen Versprechen. Es gab eine tolle Zeile in meinem ersten Film, „Carbon Copy“: „Alle Macht dem Volk!“ Ja, die gab es einmal, das war in der Steinzeit“.

„Wir sind heute alle Sklaven der Information“, bemängelt Washington. Egal, was man von den politischen Führungskräften hält, ob der eine verrückt oder der andere gesund ist, man sollte sich darüber im Klaren sein, dass man von allen Seiten manipuliert wird. Punkt.“