Im Film „Die Akte“ (1993) sprühten zwischen Julia Roberts und Denzel Washington, die gerade die aufgehenden Sterne am Star-Himmel von Hollywood waren, die Funken – dennoch gab es keinen Kuss am Ende der Geschichte. Denzel Washington spielte neben Julia Roberts als Studentin mit Mission in der Verfilmung von John Grishams Justizthriller den Reporter Gray Grantham. Der Film wurde ein Kassenschlager. Ein Streitpunkt war allerdings das Fehlen eines Kusses zwischen den beiden Hauptfiguren, worüber in den Medien ausführlich diskutiert wurde. Vor allem, als publik wurde, warum eine anscheinend geplante Kussszene gestrichen wurde.

Zwischen den beiden Stars prickelte es auf der Leinwand ordentlich
Zwischen den beiden Stars prickelte es auf der Leinwand ordentlich © IMAGO

In einem Interview mit Newsweek aus dem Jahr 2002 gab Roberts zu, dass sie noch Jahre später wegen des Kusses belästigt wurde. „Ich habe im Laufe der Jahre so viel Ärger bekommen, weil ich Denzel in diesem Film nicht geküsst habe“, sagte Roberts der Zeitung. „Habe ich keinen Puls? Natürlich wollte ich Denzel küssen. Es war seine Idee, die verdammten Szenen herauszunehmen.“ Der Grund war laut Roberts, dass Washington die schwarzen Frauen, die ihn liebten, nicht mit einem „interracialen“ Kuss vergraulen wollte.

„Schwarze Frauen werden im Film nicht oft als Objekte der Begierde gesehen“, wird Washington in dem Newsweek-Artikel zitiert. „Sie waren allerdings immer mein Hauptpublikum.“ Er erinnerte sich an eine Vorführung des Kriminalfilms „The Mighty Quinn“ aus dem Jahr 1989, in der er Mimi Rogers einen Kuss gab. Daraufhin buhten die schwarzen Frauen im Publikum lautstark – ein offenbar prägender Moment für Washington. Doch es gab noch andere Gründe für die Kuss-Verweigerung. Er dachte offenbar auch, dass er weiße Männer verärgern würde, indem er eine weiße Frau küsst. Washingtons Co-Star aus „Virtuosity“, Kelly Lynch, stützt diese Theorie in einer Ausgabe der Weekly World News von 1998, als sie sagte: „Denzel war der festen Überzeugung, dass weiße Männer, die die Zielgruppe des Films waren, nicht sehen wollten, wie er eine weiße Frau küsste.“

Denzel Washington & Kelly Lynch in „Virtuosity“
Denzel Washington & Kelly Lynch in „Virtuosity“ © Rights Managed via www.imago-images.de

Und er zog seine Kuss-Politik ziemlich konsequent durch. Unabhängig von der Hautfarbe seiner Schauspiel-Kolleginnen in den jeweiligen Filmen küsste der Schauspieler auf der Leinwand eigentlich kaum jemanden. Eine Ausnahme ist „Abbott Elementary“-Star Sheryl Lee Ralph, die den Schauspieler in den 80ern bei den Dreharbeiten zu „The Mighty Quinn“ küssen durfte. Laut Überlieferungen meinte sie danach, es „sei besser gewesen, als man denkt.“

 Sheryl Lee Ralph durfte den kuss-scheuen Denzel Washington vor laufender Kamera küssen
 Sheryl Lee Ralph durfte den kuss-scheuen Denzel Washington vor laufender Kamera küssen © IMAGO/Alberto E. Tamargo