Er musste gar nichts sagen. Niemand strawanzte so lässig über den Fischmarkt und stand so cool herum wie Alain Delon als Tom Ripley in der legendären Literaturadaption „Nur die Sonne war Zeuge“ (1960). Bestsellerautorin Patricia Highsmith sah in ihm die ideale Verkörperung eines dubiosen Charakters. Im selben Jahr wurde Luchino Visconti auf ihn aufmerksam und besetzte ihn in „Rocco und seine Brüder“ als Boxer wider Willen, der den Kampf seines Lebens verlor – gegen seine eigene Brutalität.
In den Eingangsszenen des erotischen Kultthrillers „Der Swimmingpool“ (1969) und des Gangsterfilms „Vier im roten Kreis“ (1970) schwieg Alain Delon minutenlang, während die Kamera an seinem Gesicht und seinem Körper entlang streift, als würde das an Botschaft reichen. Tat es auch. Seine Anwesenheit war Funktion genug, seine bestechenden Blicke machten Drehbücher und Dialoge überflüssig. „Ich spielte nicht“, erinnerte sich Delon an das erste Mal vor der Kamera. „Ich lebte.“

Alain Delon war einer der ersten Schauspieler, der von seiner Fotogenität leben konnte. Sein Dasein veränderte das Schönheitsideal des französischen Feschaks auf einen Schlag und brachte ihm bald die Bezeichnung europäischer James Dean ein. Im Krimi „Der eiskalte Engel“ (1967) von Jean-Pierre Melville perfektionierte er sein Image als unnahbarer und unberechenbarer Darsteller: Hinter der schönen Fassade taten sich Abgründe auf.

Seine Kindheit war bescheiden, die Eltern trennten sich, er wuchs bei einer Pflegemutter auf, machte eine Lehre als Fleischer und floh mit 17 zum Militär. Nach mehreren Vergehen dort stellte man ihn vor die Wahl: Entlassung oder Krieg. Er wählte Zweiteres, wurde nach Indochina verschifft, bezeichnete diese Epoche später als „glücklichste Zeit“ in seinem Leben. Dort traf er 1956 den Offizier Jean-Marie Le Pen, womit seine späteren Sympathien für die französische Rechte erklärt werden können. Nach seiner Rückkehr hielt er sich mit dubiosen Geschäften über Wasser. Sogar Kontakte zur Mafia wurden ihm nachgesagt. Der Authentizität bei seiner Rollenwahl zwischen skrupellosen Mördern und smarten Gangstern schadete das nicht.

Bewegt war sein Leben auch abseits von Filmsets und rund 80 Werken, in denen er mitwirkte: Seine glamouröse vierjährige Liaison mit Romy Schneider fütterte auch nach dem Liebes-Aus die Klatschpresse. Er hatte zuhauf Affären und geriet 1968 in die Schlagzeilen, weil sein Bodyguard und Freund Stevan Markovič ermordet wurde. Glanz und Schatten; sie waren ein kongeniales Duo im Leben des Alain Delon. Einem Leben, das nach langem Leiden 88-jährig endete.

ORF ändert sein Programm

Der ORF würdigt Delon mit einem kleinen Programmschwerpunkt am Montag. So zeigt ORF 2 ab 22.30 Uhr im Rahmen eines „kulturMontag Spezial“ das Filmporträt „Alain Delon, persönlich“ von Philippe Kohly aus dem Jahr 2015. In der rund 50-minütigen Doku über sein Leben kommt der französische Schauspieler in Form von Interviews aus fünf Jahrzehnten selbst ausführlich zu Wort.

Im Anschluss zeigt ORF 2 ab 23.20 Uhr mit „Der Swimmingpool“ einen jener Kultfilme, die Delon zum prägenden Gesicht des französischen Films der 60er- und 70er-Jahre machten. In dem Erotikthriller von Regisseur Jacques Deray und mit Romy Schneider aus dem Jahr 1969 verstricken sich Jean-Paul (Delon), Marianne (Schneider), Harry (Maurice Ronet) und Pénélope (Jane Birkin) in eine tragische Vierer-Beziehung.