Seit sie im Teenageralter mit der Schauspielerei begonnen hat, hat Juliette Binoche in mehr als 65 Filmen sowie im Fernsehen und am Theater mitgewirkt, wobei sie sich für jede Rolle intensiv vorbereitet. Das zeugt von beeindruckender Arbeitsmoral, manche würden sagen, sie ist anstrengend. Wir sprechen über Zoom. Juliette Binoche, eine der gefragtesten Schauspielerinnen der Filmwelt, sitzt im Büro ihres Hauses auf dem Lande in Frankreich. Die Verbindung ist ein wenig instabil. Ich beuge mich vor und spreche laut in den Bildschirm. „Sie sind immer schwer beschäftigt. Wie entspannen Sie sich?“
Binoche hält inne und ist einen Moment lang perplex. Die 59-Jährige trägt eine große, dickrandige Brille, kein Make-up, die Haare sind ein wenig wild. Sie ist außerordentlich schön. „Die Frage stellt sich mir gar nicht“, sagt sie schließlich, „denn ich habe nicht das Gefühl, mich entspannen zu müssen. Ich muss mich hingeben, damit es mir Freude bereitet. Und in der Freude spüre ich die Leichtigkeit.“
Derzeit laufen zwei große Binoche-Projekte fast gleichzeitig. „The New Look, eine Apple TV+ Serie über das Leben von Christian Dior und Coco Chanel - gespielt von Binoche - während des Zweiten Weltkriegs in Paris. Und „Geliebte Köchin“, ein Film des französisch-vienamesischen Regisseurs Tran Anh Hùng, in dem Binoche die Köchin Eugénie spielt, die seit 20 Jahren für den Gourmet Dodin arbeitet. Bei brutzelnden Koteletts kommt es zu erotischen Spannungen, denn Dodin ist in Eugénie verliebt, die inzwischen sehr krank ist.
Das Besondere an dem Film: Der Schauspieler, der Dodin spielt, Benoît Magimel, ist Binoches ehemaliger Partner und der Vater ihrer 24-jährigen Tochter Hana. Binoche hatte vor den Dreharbeiten zu diesem Film 20 Jahre lang kaum mit Magimel gesprochen. „Ich war ein bisschen nervös, bevor wir anfingen“, sagt sie. „Ich hatte viele Male darum gebeten, ihn zu sehen, ihn wieder zu treffen, mit ihm zu sprechen, und es war nie dazu gekommen, also war die Tatsache, dass er plötzlich ja sagen konnte, eine große Überraschung für mich. Es hat die Vorstellung auf den Kopf gestellt, dass er mich aus seinem Leben streichen wollte, und das war eine schöne Überraschung.“
Binoche und Magimel hatten sich bei den Dreharbeiten zu „Das Liebesdrama von Venedig“, dem Film von 1999 über die leidenschaftliche Beziehung des Schriftstellerpaars George Sand und Alfred de Musset, ineinander verliebt. In „Geliebte Köchin“ fanden die beiden nun über ihre Rollen wieder einen Weg, miteinander zu reden. Es sei eine tiefgreifende Erfahrung gewesen, nicht zuletzt für ihre Tochter. „Es war sehr intensiv für Hana zu sehen, wie ihre Eltern in der Lage sind, ihre Herzen zu öffnen, auch wenn es durch einen Film, durch die Worte eines anderen, in einem Kostüm geschieht. Ich glaube, das hat viele Wunden geheilt.“
Einen Monat nach den Dreharbeiten zu „Geliebte Köchin“ begann Binoche mit den Dreharbeiten zu „The New Look“, in dem die legendäre Modemacherin Coco Chanel als skrupellose Frau dargestellt wird, die versucht, die Besetzung von Paris durch die Nazis zu überleben. Es ist eine umstrittene Geschichte, wie Binoche herausfand. „Ich habe so viele Bücher gelesen. Sie waren widersprüchlich“, sagt sie. Sicher ist, dass Chanel ihre Boutique während der Besatzung schloss und sich weigerte, Deutsche einzukleiden. In der Show, die von realen Ereignissen „inspiriert“ ist, wird Chanel von den Nazis rekrutiert und erhält nach einer Affäre mit einem Deutschen den Decknamen Westminster.
„Das Überleben lag ihr im Blut“, sagt Binoche. „Chanel stammte aus sehr armen Verhältnissen, ihre Mutter starb, ihr Vater verließ sie, es herrschte ein solches Chaos. Das Trauma war so tief, das Kind so beschädigt, dass das Bedürfnis nach Erfolg noch größer war. Das hat mich dazu gebracht, auch über mein Leben, mein Selbst, meine Mechanismen nachzudenken, darüber, wie wir uns in unseren Schwächen verfangen können und wie wir sie erkennen müssen, um zu wachsen.“
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Binoche hat immer noch ihr Haus in Paris und jetzt auch das Haus auf dem Lande, das sie vor zwei Jahren gekauft hat, in demselben Dorf in der Nähe von Narbonne im Südwesten Frankreichs, in dem ihre Großmutter lebte. Sie genießt die Mahlzeiten mit ihrer Familie, die Spaziergänge am Meer. Gerade liest sie die Autobiografie von Barbara Streisand, die sie in die Hand nimmt und mir zeigt. „Sie ist eine Ikone, ich liebe sie“, sagt sie. Binoche hat auch selbst geschrieben und arbeitet an einem Kurzfilm. Es ist ihr erster Versuch als Drehbuchautorin. „Ich wurde von dem Produzenten provoziert, der mir einen Drehbuchautor vorsetzen wollte. Ich fand das so demütigend, dass ich noch am selben Abend zu schreiben begann und es ihm am nächsten Tag schickte. Und es gefiel ihm.“
Ob Leute, die ihr sagen, dass sie etwas nicht schafft, sie dazu bringen, es noch mehr tun zu wollen? Die Antwort von Binoche ist ein Lachen. Also ja. „Besonders, wenn meine Mutter das sagt“, gesteht sie. Monique Stalens war nicht nur Schauspielerin, sondern auch Lehrerin.“ Meine Mutter ist jetzt älter. Sie ist verletzlicher, aber sie hat mir einen guten Treibstoff für meinen Motor gegeben“, sagt Juliette Binoche mit einem Lächeln.
Gavanndra Hodge