Vom neongrünen Haaransatz mit Schlapperlook bis hin zum aufreizenden schwarzen Abendkleid auf dem roten Teppich – Billie Eilish experimentiert sich mutig durch die Welt der Mode.
Dem war jedoch lange Zeit nicht so. Die Sängerin war bis vergangenes Jahr vor allem für ihre Baggy – also sackartigen – Looks bekannt. Weite Hosen, T-Shirts und Pullover präsentierten wenig von der weiblichen Seite US-Amerikanerin; und das ganz bewusst. „Ich wollte nicht, dass die Leute Zugang zu meinem Körper haben, auch nicht visuell. Ich war nicht stark und sicher genug, ihn zu zeigen. Wenn ich ihn damals gezeigt hätte, wäre ich völlig am Boden zerstört gewesen, wenn die Leute etwas gesagt hätten“, offenbarte Eilish nun in einem Interview mit Variety.
Und die Leute hätten etwas gesagt, so viel steht fest. Genau genommen haben sie das auch, als die Künstlerin mit 16 Jahren zum ersten Mal ein Tank-Top getragen hatte. „Du trägst etwas, das dich völlig entblößt, und alle sagen: ‚Oh, aber du wolltest nicht, dass die Leute dich sexualisieren?‘“, erzählt sie vom öffentlichen und medialen Echo damals. „Ich habe große Brüste. Ich habe große Brüste seit ich neun Jahre alt bin, und so bin ich nun mal. So sehe ich aus.“
Eine junge Frau in der Öffentlichkeit zu sein, sei „einfach ein Krieg, für immer“ und „wirklich unfair“. Anders als für Männer. „Niemand sagt etwas über den Körper eines Mannes“, meint sie. „Wenn du muskulös bist, cool. Wenn du keine hast, cool. Wenn du hauchdünn bist, cool. Wenn du einen Dad-Body hast, cool. Wenn du pummelig bist, liebe es!“ Der Grund dafür, dass Männerkörper nicht kritisiert werden? „Weil die Mädchen nett sind.“
Eilish, die Teufelsanbeterin?
Eilish‘ Aussehen, Auftreten und musikalisches Schaffen schürten viele Gerüchte in ihren Teenager-Jahren. Die Leute fragten sich, warum sie sich so anzog, zu welchem Geschlecht sie sich hingezogen fühlte und warum eine Minderjährige über die Ermordung ihrer Freunde oder das Anzünden des Autos einer Ex singt, erinnert sie sich zurück. Ihr wurde sogar unterstellt, eine Teufelsanbeterin zu sein.
All diese Stimmen und diese Kritik sorgten mitunter dafür, dass sich die mittlerweile 21-Jährige nie wirklich wie eine Frau gefühlt habe. „Ich habe mich nie begehrenswert gefühlt. Ich habe mich nie weiblich gefühlt. Ich muss mich selbst davon überzeugen, dass ich ein hübsches Mädchen bin“, gibt sie zu.
Ihre Gefühle Frauen gegenüber seien immer schon ambivalent gewesen. Sie fühle sich von ihnen eingeschüchtert, von ihrer Schönheit und Präsenz. Gleichzeitig fühle sich Eilish aber auch zu ihnen hingezogen, auch körperlich.
Gutes Gefühl außerhalb der Komfortzone
Im Sommer lieferte sie mit „What Was I Made For?“ einen Teil des Soundtracks zum Kinohit „Barbie“. In dem Song geht es darum, dass Barbie erklärt wird, was es wirklich bedeutet, eine Frau zu sein. Daraus entwickelte sich ein TikTok-Trend, bei dem über eine Million Frauen Videocollagen von ihren eigenen Erfahrungen teilten. „Es war so, so rührend“, berichtete Eilish. Für sie sei dieser Moment prägend gewesen und es habe sie überrascht, dass sich Frauen auf der ganzen Welt so verbunden gefühlt hätten.
Dass sie sich mit einem Song für DEN Mädchenfilm überhaupt aus ihrer Komfortzone wagte, hatte mit einer Selbsterkenntnis zu tun. Bestätigung von außen, wie nach ihrem Welthit „Bad Guy“ 2019, würde sie nicht das wahre Glück finden lassen – auch, wenn sie das damals dachte. Vielmehr dachte sie: „Ich muss etwas in mir selbst und in meinem persönlichen Leben finden, das nichts mit der Außenwelt oder dem Internet oder meinem Status zu tun hat, das mir so viel Freude bereitet.“ Projekte wie eben „Barbie“ oder auch ihr Schauspiel-Debüt in der Horrorsatire „Swarm“.
„Ich habe das Gefühl, dass ich zu einer Person werde, die ich wirklich liebe und Dinge tue, auf die ich wirklich stolz bin. In vielerlei Hinsicht habe ich das Gefühl, dass ich gerade erst aufgewacht bin.“