Leserbriefe zu Offen gesagt „Der Parteisoldat“, 3. 11.

Hätte Walter Rosenkranz den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán einladen dürfen?“ So die Schlagzeilen in den letzten Tagen. Aus meiner Sicht geht es nicht darum, ob Orbán empfangen werden hätte dürfen, sondern der Zeitpunkt des Besuchs war ein No-Go. Mit rotem Teppich und der gesamten FPÖ-Führungsriege samt „Wiener Erklärung“ mit Symbolfoto ohne EU-Fahne – mehr Provokation geht nicht.

Zur Anfangsfrage: Darf Viktor Orbán im Parlament empfangen werden? Selbstverständlich darf er, nur nicht als erster Staatsgast und in dieser blauen Inszenierung. Walter Rosenkranz hätte auch seinen Schweizer Kollegen einladen können und so den Parlamentarierinnen und Parlamentariern ein händereichendes Zeichen geben können, hat er aber nicht. Deshalb hat er den präsidialen „Elchtest“ glatt nicht bestanden, parteipolitischen Missbrauch begangen und sämtliche politische Vorbehalte gegen ihn bestätigt.
Ferdinand Pay sen., Enns

Verständlich

Walter Rosenkranz wurde nicht nur von den eigenen FPÖ-Mandataren zum Nationalratspräsidenten gewählt, sondern von 100 Mandataren, und hat danach versprochen, für alle Österreicher das Amt zu führen. Das schaut nach dieser Einladung für mich persönlich nicht so aus. Aus diesem Grund verstehe ich, dass keine andere Partei nach der letzten Nationalratswahl eine Regierungsverhandlung mit der FPÖ (bis jetzt) eingegangen ist. 
Helmut Freitag, Wagna

Anmaßung

Showdown in den heiligen Hallen der österreichischen Demokratie. Auf Einladung des neuen Parlamentspräsidenten Walter Rosenkranz (FPÖ) trafen sich dieser, Viktor Orbán und Herbert Kickl, mit freiheitlicher Entourage, in den Prunkräumen des Parlaments. Die Parlamentsvertreter von 70 Prozent der Wähler blieben außen vor. Wladimir Putin saß als fiktiver Gast mit am Tisch. Einem von Kickl und Orbán unterzeichneten Freundschaftsabkommen zwischen Österreich und Ungarn fehlt wohl die Legitimität. Kickl kann natürlich für die FPÖ sprechen. Dies aber für alle Österreicher zu tun, steht ihm nicht zu und ist eine unglaubliche Anmaßung.

Dieses eigenmächtige Vorgehen zeigt eindringlich, in welche Richtung eine durch die Kickl-FPÖ geführte Regierung gehen würde. 
Oswald Gandler, Seeboden

Friedensgespräche

„Lernen Sie Geschichte!“, würde Genosse Kreisky so manchem Politiker heutzutage zuraunen. Schließlich sah er ja auch in der UNO-City aus seiner Erfahrung heraus ein großartiges Instrument für Friedensgespräche im neutralen Österreich, und das wäre meines Erachtens zudem wirksamer als ein sündteures Raketenabwehrsystem! Wenn Nationalratspräsident Rosenkranz unter Mithilfe von Orbán Putin und Selenskyj an einen Verhandlungstisch bringen würde – was soll daran bitte schlecht sein?
Maria Fellner, Vogau

Vorbild Ungarn?

Die Anmaßung der FPÖ ist unglaublich. Die österreichische Demokratie lässt sich nicht vernichten. Wir wollen keine Armutsdiktatur wie in Ungarn.
Egon Hofer, Maria Saal

Maske gefallen

Man kann in der Sache etliche Punkte im FPÖ-Programm durchaus umsetzungswürdig finden, auch die Rede von Rosenkranz anlässlich seiner Wahl zum Nationalratspräsidenten war von Beschwörung der Gemeinsamkeit und Respekt vor der Würde der Demokratie getragen. Den Empfang des ungarischen Ministerpräsidenten im Parlament kann man auch tolerieren; schon schwerer verständlich ist, dass die Veranstaltung von vornherein als reine Parteiveranstaltung der FPÖ ohne Einbindung der zwei anderen Parlamentspräsidenten bzw. der anderen Parlamentsparteien angelegt war. Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat aber die äußerst starke Symbolwirkung der Entfernung der EU-Fahne bei der Pressekonferenz; man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass durch diese Aktion schon bei der ersten Gelegenheit die Maske der Verstellung gefallen ist und der wahre antieuropäische Kern dieser Partei offengelegt wurde. Dadurch wird das kritisierbare Verhalten des Bundespräsidenten und von Karl Nehammer im Nachhinein verständlicher, akzeptabler und eigentlich gerechtfertigt. 
Adolf Schifferl, Graz

Getriebene

Rosenkranz, als typischer Vertreter der politischen Bigotterie (lt. Duden: Aufrichtigkeit und Freundlichkeit heuchlerisch vortäuschen) und als treuer Schildknappe eines selbst ernannten Volkskanzlers, treibt mit diesem die EU, unsere Republik, vom Bundespräsidenten abwärts und die Parteien respektlos und anscheinend widerstandslos vor sich her. Diese wiederum agieren kläglich und kleinlich, hauptsächlich mit dem Antrieb, an der Macht zu bleiben oder diese zu erlangen. Ein Programm, eine Vision, eine gesellschaftspolitische Erzählung, um die Baustellen in Österreich zumindest zu reparieren versuchen, ist nicht wahrzunehmen. Nur derzeit oder überhaupt nicht?
Dr. Gert Wiegele, Villach

ORF und FPÖ

Es fällt auf, dass sich der ORF in seinen Nachrichtensendungen und Politik-Talks fast ausschließlich mit der FPÖ, dem anscheinend „rechtsextremistischem Gedankengut“ des vom Parlament neu gewählten Nationalratspräsidenten Rosenkranz und damit beschäftigt, warum es eigentlich rechtens und in Ordnung ist, dass der Bundespräsident nicht der stimmenstärksten Partei den Regierungsbildungsauftrag gegeben hat.

Unabhängig davon ist es natürlich eine völlig unnötige Provokation, wenn Rosenkranz den autokratischen Regierungschef von Ungarn, der in seinem Land so gut wie alle demokratischen Regeln mit Füßen tritt, ins Parlament einlädt, und die gesamte FPÖ Parteispitze im Parlament mit Orbán eine Veranstaltung abhält, zu der die anderen Parteien nicht eingeladen wurden. Da darf sich die FPÖ dann nicht wundern, wenn der ORF genüsslich und ausführlich nur darüber berichtet, und immer wieder auf die undemokratischen Verhaltensweisen der FPÖ-Mandatare hinweisen kann! Anstatt aber ständig die FPÖ zum Thema zu machen, wäre es die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Senders, eine differenziertere und weniger arrogante Berichterstattung oder kritischere Diskussionen in den diversen Polit-Talks zuzulassen, zum Beispiel über die extrem kritische Budgetlage, die von der türkis/grünen Regierung konsequent schöngeredet, wenn nicht sogar vertuscht wurde.
Mag. Michael Moser, Klagenfurt