Leserbriefe zu Allerheiligen

Der Tod gehört zum Leben. So banal diese Lebensweisheit klingt – wir tun uns alle schwer damit. Selbstoptimierung bis ins hohe Alter, Selbstbestimmung, Lebensplanung werden uns von einer vielgestaltigen Gesellschaft vorgeschrieben. Immer öfter in Bestsellerbüchern von Medizinern, Talkshow-Gästen und sonstigen Ratgebern zum Thema „Sterbehilfe“. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben bekommt dadurch eine ungeahnte Dynamik. Wie die Geburt wird dadurch nun auch das Sterben als planbares und kontrollierbares Ereignis hingestellt.

Was aber ist mit den Menschen, die eben nicht alles selbst bestimmen, selbst optimieren wollen? Die diesen Zeitgeist nicht mittragen wollen oder können.  Die es vielleicht schaffen, das Leben und das Sterben einigermaßen geschehen zu lassen. Die die Fähigkeit des Menschen – ganz nach Viktor Frankl – noch bewahrt haben, das Leben, das Leiden und das Sterben anzunehmen und dies in all den unterschiedlichsten Facetten als sinnvoll zu betrachten. Die – sozusagen – in Ruhe sterben wollen. Zugegeben, das werden immer weniger. Doch diese sollte man nicht aus den Augen verlieren. Eine optimale Planung ist für sehr viele Menschen die Antwort auf die Frage nach dem guten Tod geworden. Doch wie bei der Geburt ist auch beim Sterben – in der Geburtshilfe wie in der Sterbehilfe - nicht immer alles planbar. Beide Ereignisse sollten nicht zu einem Event verklärt werden. Manchmal lenkt gerade der Plan vom Eigentlichen und vom Wesentlichen ab. Palliativmedizin, Hospizbegleitung, „Letzte-Hilfe-Kurse“ leisten qualitativ großartige Vorbereitungsarbeit. In pflegerischer, medizinischer, seelsorgerischer Hinsicht.

Jetzt, zu Allerheiligen, ist ein opulentes kostspieliges Grabgesteck oft auch nur eine Antwort auf viele brennende Fragen und Nöte. Der Mensch wünscht sich, so zu sterben, wie er gelebt hat, heißt es. Aber was sagt das dann aktuell über unsere Gesellschaft aus? Ängste entstehen durch Nichtwissen, aber auch durch zu hohe Erwartungen an das Wissen. Ein füreinander Einstehen, gelebte Mitmenschlichkeit, die Bereitwilligkeit, (letzte) Hilfe zu leisten, wenn es darauf ankommt und gewünscht wird, braucht es heute mehr denn je. Nachbarschafts-, Freiwilligenhilfe, Fürsorge, wie sie in Familien geleistet werden, brauchen genau die gleiche Wertschätzung wie professionelle Institutionen es fordern. Für einen sterbenden Menschen ist es entscheidend, von Menschen umgeben zu sein, die ihn kennen. Ihn und seine Haltung – zum Leben und zum Sterben.
Helga Reichmann-Gitschthaler, Maria Elend

Das Leben ist endlich

Wenn wir an jene denken, die mit uns ein Stück des Weges gegangen sind, wird uns bewusst, dass unser Leben endlich ist, was wir in der vitalsten Zeit unseres Lebens oft verdrängt haben. Und es kommen Gedanken auf, die man in früheren Jahren nicht hatte. Warum sind wir den Toten gegenüber nachsichtiger und großzügiger als den Lebenden? Warum bekommt manche Frau angesichts ihres Todes mehr Blumen als während ihres ganzen Lebens? Warum muss mancher erst sterben, damit er von der Gesellschaft gerecht beurteilt und anerkannt wird?

Ein Friedhof ist also nicht nur ein Ort des Todes, sondern auch ein Ort der Besinnung, auch wenn die Einsicht dann oft zu spät kommt. Wenn man durch die Gräberreihen geht, sieht man neue Gräber, mit Blumen bedeckt, die so frisch sind wie das Leid der Angehörigen. Ältere Gräber, auf denen Kerzen brennen, die darauf hinweisen, dass man an die Verstorbenen noch denkt. Alte Gräber, von Gras überwuchert, das Kreuz oft verrostet, mit Flechten bewachsen und müde vornübergebeugt vom langen Wachen für den Verstorbenen.

Das zeigt eindringlich, dass der Wunsch nach ewigem Gedenken auch dem ehernen Gesetz von Werden und Vergehen unterworfen ist. Josef Rosenberger, Sinabelkirchen

Der Tod war besiegt

Leider entkommt niemand von uns dem Tod. Er wartet gleich um die Ecke auf uns und kann plötzlich und sehr unwillkommen auftauchen. Die Ewigkeit ist in die Herzen der Menschen gelegt, deshalb fühlt sich die Endgültigkeit des Todes und dass man aufhören würde zu existieren, unvernünftig und unmöglich an. Und so ist es, wir sind ewige Wesen. Die einzige Frage ist, ob aus christlicher Sicht „der Fahrstuhl nach oben oder nach unten fährt“, wo die Seele ihre Ewigkeit verbringt. Die Seele ist also die Person „Du“, deine Persönlichkeit mit all ihren Besonderheiten, Gefühlen und Gedanken. Aber wie wollen wir dem Tod begegnen? Wir können nicht wählen, wann. 

Diejenigen, die dem Tod in Frieden und Sicherheit, ja fast sehnsüchtig gegenüberstehen, sind Gläubige. Sie haben an eine Person geglaubt, die sagte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“ Jesus hat so den Tod selbst besiegt, um ewiges Leben zu schenken.

Ich hielt die Hand einer sterbenden Christin. Sie hatte lange Atempausen, war kaum bei Bewusstsein. Ich betete still für sie, plötzlich öffnete sie die Augen und sah mich mit einem Lächeln an. Die Zeit stand still und die Ewigkeit senkte sich in den Raum. Die Freude und den Frieden, die sie in diesem Moment ausstrahlte, werde ich nie vergessen. Sie tat ihren letzten Atemzug, sie war nicht mehr da, der Tod war besiegt. Peter Kujala, Trångsviken (SE)

Ewiger Kreislauf

Herbst auf dem Friedhof, herabgefallenes Laub bedeckt Gräber und Wege, das milde Herbstlicht zaubert eine zarte Melancholie in die Stille, Vergänglichkeit und Trost finden in einer besonderen Harmonie zueinander und laden uns zur Einkehr ein. Der Engel aus Stein führt uns die Zerbrechlichkeit des Lebens und die Spuren, die die Zeit hinterlässt, vor Augen. Die Gräber erzählen Geschichten von Menschen, die im Erinnern weiterleben und uns an den Wert jedes einzelnen Lebens erinnern.

Die Natur lässt uns ahnen, dass dies nur eine Phase im ewigen Kreislauf des Lebens ist. Das herabfallende Laub erinnert uns daran, dass der Herbst ein Übergang ist, ein notwendiges Loslassen, bevor neues Leben entstehen kann. Diese Gewissheit, die die Schöpfung in sich trägt, schenkt Hoffnung: Der Winter wird kommen, ja, aber nach ihm wird auch wieder ein Frühling erwachen. Manfred Polansky, Langenwang