Leserbriefe zu „Das Hoffen auf die ‚Vernünftigen‘“, 15. 10.

Da gibt es derart viele Wortmeldungen, von Leuten mit unterschiedlichem Bildungsgrad, alle glauben, es besser zu wissen, aber scheinbar denkt niemand daran, dass es innerhalb einer Regierung so wie in einer Ehe – und sei sie nur auf Zeit – nicht nur bestimmte Regeln und eine Übereinstimmung über das geplante Arbeitsprogramm geben muss, sondern dass es auch eines gewissen Maßes an Vertrauen bedarf! Es hat keinen Sinn, mit jemandem zusammenzuarbeiten, wo es zwischenmenschlich nicht passt und man sich immer wieder über den Tisch gezogen fühlt, sowie nach jedem Handshake die Finger abzählen muss, ob wohl noch alle an der Hand sind!

Weiters ist in unserer Verfassung vorgesehen, dass es in der Regierung Einstimmigkeit geben muss! Das bedeutet aber auch, Verstöße, wie es sie im Falle Gewessler gab, müssten die sofortige Entlassung eines Ministers zur Folge haben, was aber auch eine Aufkündigung der Koalition wäre und wo im Parlament chaotische Zustände herrschen würden. Erinnern Sie sich noch, was vor wenigen Jahren nach der Auflösung der Regierung passiert ist? Da haben sich Rote und Blaue zusammengefunden und im sogenannten freien Spiel der Kräfte jeweils Wahlzuckerln an ihre Klientel in der Höhe von mehreren Milliarden verteilt, genau diese Parteien prangern jetzt die hohen Schulden an.
Peter Klatzer, Klagenfurt

Minderheitsregierung

Unser Herr Bundespräsident ist bekannt dafür, sich bei seinen Entscheidungen auf die Verfassung zu berufen. Nachdem der Ausgang der letzten Wahlen zum Nationalrat dazu geführt hat, dass die stimmenstärkste Partei keinen Koalitionspartner findet, könnte er diese mit der Bildung einer Minderheitsregierung beauftragen. Ich sehe darin eine große Chance für unsere Demokratie, wenn sich die Regierung die Mehrheit für ihre Pläne im Parlament suchen müsste und Gesetze nicht hinter den geschlossenen Türen der Koalitionsausschüsse ausgehandelt würden, wobei ja bekanntlich oft Parteiinteressen wichtiger als das öffentliche Wohl sind.

Die Verlagerung der politischen Diskussion in das Parlament würde auch die anderen Parteien zu einer konstruktiven Mitarbeit zwingen, weil sie mit einer sachlich nicht begründeten Opposition kaum in der Lage wären, sich einen Rückhalt in der Wählerschaft aufzubauen. Wichtig dabei wäre auch eine transparente und interessante Berichterstattung durch die traditionellen Medien, um auch die jungen Leute, die sich derzeit ihre politische Bildung aus Echokammern der „sozialen“ Medien holen, in die Realität zurückzuholen.

Das Schlimmste wäre eine mühsam zusammengekratzte Koalitionsregierung gegen die FPÖ, gegen die Herr Kickl dann alles an Destruktion ausspielen kann, was er auf Lager hat.
DI Horst Kieslinger, Villach

Schwierige Suche

Herbert Kickl braucht sich nicht zu wundern, dass eine Partnersuche für eine Regierungskoalition mit der FPÖ mit Schwierigkeiten verbunden ist. Dass das so ist, liegt ganz alleine an Kickl selbst und an seiner ungustiösen Art, Politik zu machen, von korrektem Stil keine Spur. Wer glaubt, sich mit Rambo-Methoden und Menschenverachtung (senile Mumie, Fahndungslisten, ...) zum überall beliebten Helden gemacht zu haben, der irrt sich gewaltig.

Bei allen anderen politischen Mitbewerbern immer ein fehlendes demokratisches Verhalten anprangern, aber selbst mit der Demokratie auf Kriegsfuß stehen. Brachialrhetorik, Orbán als Vorbild, Putin als Freund, Gesetze, die der Politik gehorchen sollen, Verschwörungstheorien – das alles hat aber schon überhaupt nichts mit Demokratie oder demokratischem Verhalten zu tun. In diesem Sinne wünsche ich Kickl alles Gute bei seinen Sondierungsgesprächen.
Arnold Praschl, Ilz

Laientheater

Das Laientheater der Parteispitzen hängt uns schon zum Hals heraus. Wenn Bundeskanzler Nehammer meint, er will mit Herbert Kickl nicht, dann liegt das nicht an der Person Herbert Kickl, bzw. dessen politischen Aussagen, sondern nur daran, dass Nehammer und sein innerer Kreis die Macht nicht abgeben wollen. Nehammer und die ÖVP kennen den Begriff Vizekanzler und zweite Reihe („Steigbügelhalter) nicht. Nehammer will allein dirigieren und bestimmen. Mit aller Gewalt sollen die ÖVP-Parteiziele umgesetzt werden. Immer wieder wird „meine Haltung“ erörtert und diese dient allein der Selbstdarstellung. Nehammer weiß, dass bei einer Koalition mit der FPÖ seine Zeit abgelaufen ist und er auch seinen „Vizesessel“ räumen muss. 

Nehammer verweist immer wieder auf die Verfehlungen der FPÖ, spricht aber die abstrusen Geschehnisse in seiner ÖVP niemals an. Noch nie hat man gehört, dass sich ein ÖVPler für ungeheuerliche Aktionen in der Vergangenheit entschuldigt hat. Noch nie kam ein „Wir betreiben Freunderlwirtschaft“, „Sorry für die vielen Anklagen und Verurteilungen in meiner ÖVP“. Nehammer kapiert und realisiert es auch nicht, dass er nie gewählter Bundeskanzler war oder ist. Er sollte einmal nachdenken, dass Uneinsichtigkeit der Beginn des Abstiegs sind. 

Wenigstens bin ich jetzt so weit, dass ich bei der nächsten Wahl Blau wählen werde, denn solche Hollywoodstücke von Schwarz sind nicht mehr zu ertragen. Also dann, auf Neuwahlen in Kürze. 
Klaus Slamanig, Feldkirchen

Untragbar

Die Sieger sind hoffentlich die Verlierer. Rundumschläge auszuteilen, ist der Opposition vorbehalten und in Zeiten der Wahlwerbung zu erwarten. Die höchstgestellte Person im Lande als „senile Mumie“ zu bezeichnen und sich dann zu wundern, als Sieger der Wahl nicht mit der Regierungsbildung betraut zu werden, ist dumm und naiv. Ebenso ist die Ablehnung einer Koalitionsbildung vonseiten der anderen Parteien verständlich. So ein „Volkskanzler“ ist für Österreich untragbar.
Ekart Hartmann, Sattendorf

Rechenaufgabe

Wenn eine Partei in einem – zugegebenermaßen respektablen – Wahlergebnis von 29 Prozent Prozent einen Automatismus erkennt, über 100 Prozent der Bevölkerung bestimmen zu können, fehlt es vermutlich schon an den Kenntnissen der Grundrechnungsarten.

Herr Kickl, Demokratie geht anders, oder mit Kreisky: „Lernen Sie Geschichte“. 
Oswald Gandler, Seeboden

Tiefe Gräben

Ist es Aufgabe des Herrn Bundespräsidenten, den Parteien eine Gruppentherapie zu verordnen? Bezahlen wir teure EU-Abgeordnete, damit sie im EU-Parlament eine Krawallshow veranstalten, wenn ihnen ein Redner nicht gefällt? Demokratie braucht die Auseinandersetzung, den Disput um die besten Lösungen, aber keine moralische Zeigefingerpolitik, die vorgibt, was erlaubt ist und was nicht. Es ist ein Unding, jeden, der eine andere Sichtweise zur Klimaproblematik, zum Krieg in der Ukraine oder zur Zuwanderung hat, deswegen als Klimaleugner, Putinfreund oder Nazi zu brandmarken.

Die Medien machen sich meiner Meinung nach nicht mehr die Mühe, Gegebenheiten zu hinterfragen, Gegenpositionen zu beleuchten und alle Seiten zu Wort kommen zu lassen. Es wird gleichstimmig und undifferenziert beschrieben, beurteilt und geurteilt: China-Bashing, Russland-Bashing, Ungarn-Bashing, Von-der-Leyen-Verklärung und Selenskyj-Verherrlichung. Anbiederung an den Mainstream, wohin man schaut. Das baggert tiefe Gräben in die Gesellschaft und verheißt für die Zukunft nichts Gutes.

Ich bedauere diese Entwicklung zutiefst, weil sie Gegnerschaft aufbaut, weil sie unversöhnliche Positionen schafft, weil es uns politisch, gesellschaftlich und ökonomisch um Jahrzehnte zurückwirft. Und ich merke, wie auch ich am Rand dieser Gräben balancieren muss, immer in Gefahr, von der einen oder anderen Seite mit hinuntergezogen zu werden.
Prof. Ing. Hans Meister, Pischelsdorf