Leserbriefe zu „Der Mensch lernt langsam und vergisst schnell“, 22. 9.

Konrad Paul Liessmann konstatierte in seinem sonntäglichen Interview, es gehöre zum Wesen der Demokratie, dass auch diejenigen an einer Regierung beteiligt sein können, deren Ziele und Methoden man gar nicht teilt. So habe Österreich schon einige FPÖ-Regierungsbeteiligungen überstanden, wenn auch, wie er meinte, mit beträchtlichen moralischen und ökonomischen Folgekosten. In diesem Zusammenhang darf an folgenden mehr als eineinhalb Jahrhunderte zurückliegenden Ausspruch Abraham Lincolns erinnert werden: „Wahlen gehören den Menschen. Es ist ihre Entscheidung. Und wenn sie entscheiden, dem Feuer den Rücken zuzukehren und sich den Hintern zu verbrennen, dann müssen sie nachher eben auf ihren Blasen sitzen.“ In diesem Sinne darf ich allen Leserinnen und Lesern einen schönen Wahlsonntag wünschen.
Dr. Peter Lang, Graz

Verrückte Welt

Heute muss ich dem von mir hochgeschätzten Liessmann widersprechen, wenn er sagt, dass „gerade die apokalyptischen Szenarien, die nur noch die falsche Alternative zwischen radikalem Systemwechsel oder Untergang kennen, pragmatische Überlegungen sabotiert haben.“ Welche Überlegungen, gar welche pragmatischen Überlegungen? Der Großteil unserer Gesellschaft schaut doch offenen Auges zu, was sich um uns herum verändert. Und wenn uns dann eine Flutkatastrophe überrascht oder Muren Häuser und Straßen verschütten, liegen sich alle in den Armen und geloben Solidarität mit den Betroffenen.

Nach wie vor ist Wachstum die zentrale Ader aller Wirtschaftssysteme unserer Welt. Sollten wir nicht endlich lernen, dass nicht alles, was möglich ist, auch gemacht werden muss?

Und die Grünen, die seit Anbeginn vor den Folgen des Klimawandels warnen, drohen von den Wählern abgestraft zu werden, eben wie früher die Überbringer einer schlechten Botschaft. Mitglieder der „Letzten Generation“, die natürlich die braven Bürger ärgern, weil sie sie wachrütteln wollen, werden kriminalisiert. Und die Partei, die angeblich den Willen dieser Bürger „geschehen lassen“ will, liegt an der Spitze der Meinungsumfragen. Welch verrückte Welt!
DDr. Thomas Ots, Graz

Nicht immer neutral

Vermutlich ist es eine der vornehmsten Aufgaben der Philosophie, neutral und objektiv zu bleiben. Ohnehin liegen uns mit ihren parteilichen Standpunkten die Politiker seit Wochen in den Ohren. Daher freue ich mich, dass mit Ende der Wahlkampfstreitereien die kühle Rationalität Liessmanns zurückkehrt. Bereits jetzt im Sonntagsinterview trat die unbestechliche Coolness des philosophischen Kommentators zutage, als er zu bedenken gab, dass auch gegenüber einer grenzwertigen politischen Partei eine neutrale Haltung geboten ist.

Auf die existenzielle Frage der Interviewer, was eigentlich zu tun wäre gegen die Tatsache, dass uns die elementaren Lebensgrundlagen klimabedingt davonschwimmen, konterte Liessmann mit der natürlichen Klimaänderung über lange Erdzeitalter. Und hier zeigte sich eine Grenze philosophischer Gelassenheitspredigt. Der Philosoph befand sich plötzlich im Einklang mit den fatalen Leugnern des menschengemachten Klimawandels! Es ist daher nicht blauäugig, sondern ein Gebot unserer Zeit, dass auch der Philosoph einmal aus dem Elfenbeinturm der Neutralität heraus- und der Menschheit mit dem moralischen Zeigefinger entgegentritt.
Franz Zeder, Deutschlandsberg

Trennende Gräben

Dieser rhetorische Hass in Bierzelten, dieses ordinäre Herabsetzen unserer Nächsten, diese generelle (!) Ausländerfeindlichkeit, dieses gewaltsame Schürfen von trennenden Gräben, dieses Einbetonieren in eine finstere Festung, … ist so gefährlich. Das wissen wir doch, nach diesen Kriegen im 20. Jahrhundert, nach den weltweiten Verwerfungen in unseren aktuellen Jahrzehnten. 

Wenn Rechtsstaat, Demokratie, das einander weltweit Helfen (Solidarität) und ein dringend humanes kultiviertes Zusammenleben gerettet werden sollen, dann hat jede und jeder von uns in der Wahlzelle eine riesengroße Verantwortung. Vergessen wir in der Wahlzelle nicht auf die Menschlichkeit! Es geht um das Weiteratmen für die Menschheit und für den Planeten!
Fritz Baumgartner, St. Georgen

Wahlhelfer

Eigentlich bräuchte die FPÖ überhaupt keine Wahlplakate, da alle übrigen Parteien tagtäglich als Wahlhelfer in Erscheinung treten. Wenn man einer demokratischen Parlamentspartei unter deren Obmann ständig vorwirft, der Obmann sei gefährlich und ein mutmaßlicher Staatsumstürzler, dann wird die FPÖ dämonisiert und spricht viele Wähler dahingehend mit „jetzt erst recht“ an. Die Bevölkerung weiß aber sehr wohl und hat es bereits erlebt, dass die Parteiobmänner – Strache und Kickl – in der Koalition mit einem sehr gemäßigten Vokabular in Erscheinung getreten sind. Daher ist es für viele Österreicher unverständlich, warum man eine demokratische Parlamentspartei kategorisch ablehnt, ausgrenzt und ständig dämonisiert, anstatt sie zu akzeptieren und in Regierungsverantwortung einzubinden. Nur in einer Regierungsverantwortung wird die FPÖ gemäßigt und gezähmt auftreten. Sollte dies nicht geschehen, dann wird diese Partei weiter wachsen und noch stärker werden.

Wo sind eigentlich die Warner vor einer Dreier-Koalition? Nach den aktuellen Umfragen der letzten Monate wird anscheinend nur noch von einer Dreier-Koalition ausgegangen, weil mit Kickl keiner will. Ich kann davor nur warnen. Es ist doch nachgewiesen, dass eine Regierung mit drei Parteien noch schwieriger ist – siehe über die Grenze nach Deutschland – und nur Probleme und Stillstand bringt. Es ist schon sehr schwierig, eine Zweier-Koalition mit vielen Kompromissen zu bilden.
Klaus Riegler, Klagenfurt