Leserbrief zu „Wir haben Journalismus mit Pädagogik verwechselt“, 16. 6.

Hubert Patterers Nachspüren für die Gründe der allgemeinen Vertrauenskrise und der Entfremdung haben mich tief betroffen gemacht. Soviel Selbsterkenntnis und gleichzeitig den Spiegel vorgehalten zu bekommen, beschämt mich. Und gleichzeitig weckt es große Hoffnung auf ein Wachrütteln, nicht nur der Journalisten und der Politiker, sondern auf ein Wachrütteln jedes einzelnen Menschen. Die Sinnfrage ist und bleibt: Was ist wesentlich?

Als Hospizbegleiterin in einem Hospiz für obdachlose Menschen erfahre ich das Wesentliche beim Sitzen am Sterbebett: Die Schönheit des Menschen wird weder durch seine frühere Umtriebigkeit, noch durch gute Taten, und schon gar nicht durch gestylte Social-Media-Einträge bestimmt. Hubert Patterer wäre fähig, an einem solchen Sterbebett zu sitzen. Dennoch hat er eine andere Aufgabe. Ich wünsche ihm die Kraft und das Durchhaltevermögen weiterhin um einen wesentlichen Journalismus zu kämpfen. Angelika Döller, Kumberg

Weitere Leserbriefe zum Thema

Kurskorrektur?

Das Eingeständnis journalistischer Fehlleistungen von Chefredakteur Patterer in seiner Dankesrede gibt Anlass zur Hoffnung. Eine so wie ich meine längst überfällige vertrauensbildende Maßnahme an die verbliebenen Leser.  Journalismus im Dienste der Wahrheit und gelebter Demokratie sollte den Weg in eine hoffnungsfrohe Zukunft fördern. Alfons Kohlbacher, Seiersberg-Pirka

Erosion der Demokratie

Werden Sie als Journalisten in der Lage sein, den Ernstfall, nämlich präzise jenen Punkt zu erkennen, an dem die Demokratie in sich zusammenstürzt? Und angenommen, das angesprochene Instrumentarium stünde geschärft und unverbraucht bereit, wäre es in der Lage, den Sturz aufzufangen? Der Weg weg von der Demokratie zeichnet sich nicht durch ein plötzliches Gefälle aus, er ist ein gradueller. Der Prozess der Diskursverschiebung vollzieht sich im Zeitlupenstechschritt. Ein Blick nach Ungarn, wo die Medienlandschaft längst gebändigt ist und kritische journalistische Stimmen ausgehungert werden, könnte diesen Weg zeigen. Kickl verortet ebendort sein Vorbild.

Eben weil die Erosion des Rechtsstaates keine Naturgewalt ist, die über Nacht über Unvorbereitete hereinbricht, wird oft das Motto „Wehret den Anfängen“ beschworen. Wurden etwa zunächst noch historische Assoziationen mit Kickls selbstgewähltem Kanzler-Attribut geweckt, ist der Begriff mittlerweile in die Alltagssprache eingesickert. Gerade erst hat die FPÖ den menschenverachtenden Namen für ihr EU-Wunschkommissariat ins Spiel gebracht, schon verliert er in der Berichterstattung schon seine Anführungszeichen. Jener Begriff stammt aus dem Vokabular der Identitären und floss von den „Verblendeten in einer Potsdamer Villa“ direkt in die Schlagzeilen. Sollte sich an einem Punkt in der Zukunft der Vergleich mit der Wannsee-Konferenz als nicht ganz so abwegig herausstellen, wäre der Ernstfall wohl eingetreten. Aber dann wären die Schritte dorthin bereits irreversibel. Wolfgang Brandner, Schladming

Übertrieben?

Im Nachhinein weiß es jeder besser: All jenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die heute einen Großteil der Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie als übertrieben oder unangemessen bewerten, könnte folgender Aphorismus zur Relativierung dienen: Ein wohlhabender Restaurantbesucher hat sich an einem Hühnerknochen verschluckt und ringt blau angelaufen um sein Überleben. Der in Erster Hilfe geübte Kellner greift beherzt in den Schlund des Gastes und holt den lebensbedrohenden Knochen heraus.

Nach einer kurzen Verschnaufpause fragt der Gerettete seinen Retter, was er ihm denn als Belohnung dafür geben könnte, dass er ihm das Leben gerettet habe. Dieser bittet ganz einfach um die Hälfte dessen, was er bereit gewesen wäre zu geben, als der Knochen noch im Rachen war. Anton Zündel, Graz

Entfremdung

Endlich klare Worte. Hoffentlich finden sie den Weg auch in die vielen manipulierten Köpfe. Danke für diese Analyse der Entfremdung. Barbara Leitner, Klagenfurt

Fehlentwicklung

Hubert Patterer hat in seiner Rede selbstkritisch den Zustand des Journalismus auf den Punkt gebracht, ohne dabei unsachlich oder gar oberflächlich zu sein. Gleichzeitig hat er die Fehlentwicklung in der Medienpolitik zur Sprache gebracht, weil eben beides zusammenspielt und nicht voneinander getrennt gesehen werden kann.

Falls in der Patterer-Botschaft überhaupt etwas gefehlt hat, dann die Erinnerung an die Medienkundschaft, dass sie auch eine Holschuld hat. Denn wenn es stimmt, was Bundespräsident Alexander Van der Bellen gesagt hat, dass die meisten Klicks dort sind, wo Skandal und Aufregung dominieren, dann darf guter Journalismus auch hier Klartext reden und nicht die ganze Schuld auf sich nehmen. Doch insgesamt kann man sich als Medienkonsument nur wünschen, dass Patterers Dankesrede Eingang in jede Journalisten-Vorlesung findet. Der Inhalt reicht für drei Semester. Peter Baumgartner, St. Veit

Geringschätzung

Ich kann das Jammern der Baubranche nicht mehr hören. Man könnte doch auch bei kleineren Aufgaben, wie Reparaturen und Instandsetzungen, Geld verdienen. Bei Anfragen um Angebote bekommt man meist nicht einmal mehr eine Absage, sondern wird ignoriert. Was hilft mir der Handwerkerbonus, wenn ich keine Firma finde? Gerda Menninger, Graz