#suche_ewige_liebe. Verona 1597: Romeo steht schmachtend nächtens in einem Garten und umwirbt seine Julia. Hätte Shakespeare ihm nicht die Worte in den Mund gelegt, könnte sich Romeo seiner Sache nicht so sicher sein.

Verona 2016: Silvio sitzt noch immer auf Mamas Couch und hält Hof. Die Damen, die vor dem Herrn des Hauses auf dem Bildschirm defilieren, kommen aus der ganzen Welt und zeigen sich von ihrer besten Seite. Wie auch Silvio, der zwar schon im Pyjama vor dem Fernseher sitzt, aber sein Profilbild zeigt ihn als markanten, leicht verwegenen Charakterkopf. Liebe in Zeiten des Internets.

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Zwischen beiden Szenen liegen Jahrhunderte, aber erst in den vergangenen Jahren hat unsere hoch technisierte Welt Werkzeuge erfunden, um Leben und Lieben auch in dieser schnelllebigen Zeit zu optimieren.Aber was bedeutet das für die Liebe an sich? Katharina Scherke, Soziologin an der KF-Universität Graz: „Durch Social Media hat sich nicht die Liebe an sich verändert, sondern ,nur‘ die Rahmenbedingungen, unter denen sie ausgelebt wird. Wie etwa kommuniziert wird und wie Personen miteinander in Kontakt kommen, verändert sich. Der Austausch zwischen Liebenden wird durch Neue Medien im Unterschied zu früher schneller, man kann auf das Geschriebene sofort und in Echtzeit reagieren. Liebesbriefe benötigten in früheren Zeiten Tage, mitunter Wochen, bis sie beim Gegenüber eintrafen.“

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Man muss also nicht gleich auf Goethe  verweisen, der mit Briefen und Liebesbekundungen um die Hofdame Charlotte von Stein warb. Die Zeit des Wartens auf die Liebe wusste Goethe redlich zu nutzen. War die Sehnsucht doch kreativer Motor für seine zukünftigen Briefe. Die Wartezeit, ein geschützter Raum für Luftschlösser, bevor man eventuell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird.

Bangen und Hoffen

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Das Spiel mit dem Bangen und Hoffen, das uns so essenziell für die Liebe erscheint, beginnt allerdings schon lange vor der ersten Begegnung. Der Nervenkitzel des Umgarnens, die aufregenden Stunden bis zum Abend, bis zum nächsten zufälligen Treffen, verstohlene Blicke – galt der mir? –, jede kleinste Bewegung wird auf die Waagschale gelegt und muss richtig entschlüsselt werden. Silvio sitzt noch immer auf seiner Couch – in der Jogginghose, jedoch ohne Hoffen und Bangen. Aus seiner Sicht hat er sich das alles erspart.Kein mühseliges Herrichten vor dem Fortgehen, keine Panikattacken vor dem ersten Ansprechen, die Unsicherheiten werden beinahe zur Gänze eliminiert. Sein Werkzeug ist eine App, die ihm flirtwillige Menschen in seiner nächsten Umgebung anzeigt. Mit einem Klick entscheidet er über Attraktivität und Ausstrahlung möglicher Kandidatinnen.

Innerhalb weniger Sekunden können sie miteinander kommunizieren. „Diese Beschleunigung der Kommunikationsmöglichkeiten hat auch Auswirkungen auf den Inhalt des Ausgetauschten. Man sendet sich kürzere Nachrichten, kann auch spontaner reagieren. Dies hat Vor- und Nachteile“, betont Scherke. „Denn die Verbundenheit kann durch diese Art des Kontaktes erhöht werden, zugleich kann es aber auch zu Missverständnissen kommen, da nicht mehr jedes Wort genau abgewägt wird, bevor es versendet wird, und somit auch Konflikte schneller eskalieren können.“

Neue Ängste, neue Kanäle

Neue Ängste auf neuen Kanälen: Sind meine Antworten schnell, klug, interessant und dabei witzig genug?
Eine ständige Wortklauberei. Wer hat das letzte Wort? Wer das erste? Was sagt das über mich aus? Es ist ein permanentes Senden und Empfangen, dem man sich ziemlich leicht unterwirft, weil es anfangs ja Spaß macht, eine Herausforderung ist, ein Nervenkitzel, um schnell in
einer ewigen Spirale zu enden.

Der Schritt in die reale Welt

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Denn wann wagt man gemeinsam den Schritt in die reale Welt – vor allem, wenn das eigene Profilbild dann doch nicht so ganz der Realität entspricht? Dieser Hang zur Selbstoptimierung hat seine Tücken, da wir uns durch das sekundenschnelle Aburteilen von Menschen der wohl aufregendsten Möglichkeit berauben – nämlich den Menschen in seiner Gesamtheit kennenzulernen.Bevor Pessimisten nun den Abgesang der Liebe anstimmen, noch ein kleiner Blick auf die verklärte, romantische Liebe, denn die ist eigentlich erst eine Entwicklung des 19. Jahrhunderts. „Viele für uns heute selbstverständliche ,Zutaten‘ für einen romantischen Abend gab es in dieser Form vorher nicht, manches wurde erst durch den Einfluss der Medien und auch wegen kommerzieller Interessen verbreitet. Wie der Valentinstag, der eine relativ junge Entwicklung ist, mittlerweile aber von einer ganzen Reihe an Erwartungen begleitet wird, wie dieser Tag unter Liebenden gestaltet werden sollte“, so Scherke.

Trauen wir der Liebe zu wenig zu?

Vielleicht trauen wir aber heute der Liebe selbst zu wenig zu. Ist sie doch die Katze unter den Gefühlen – sie lässt sich zu nichts zwingen. Schließlich muss man sich ja nicht für einen Weg entscheiden. Man kann auch Romantiker mit Smartphone sein. Denn wie wir schon von Romeo und Julia wissen: Die Dosis macht das Gift.