Jeder Hundebesitzer weiß, welche Belastung die Silvesterkracherei für den Vierbeiner darstellt. Feuerwerkskörper können aber auch bei Wildtieren erheblichen Stress auslösen, wie eine Studie österreichischer Forscher zeigt. Wie sie im Fachjournal "Conservation Physiology" berichten, verdoppelte sich die Herzfrequenz von frei lebenden Graugänsen zu Jahreswechsel, auch die Körpertemperatur stieg. Beide Werte sind Maßzahlen für physiologischen Stress.
Die österreichische Verhaltensbiologin Claudia Wascher von der Anglia Ruskin University (Großbritannien) hat in ihrer gemeinsam mit Walter Arnold (Veterinärmedizinische Universität Wien) und Kurt Kotrschal (Konrad Lorenz Forschungsstelle der Uni Wien) durchgeführten Studie 20 Graugänse (Anser Anser) mit Sendern ausgestattet, um ihre Herzfrequenz und Körpertemperatur aufzuzeichnen. Die Tiere leben frei an der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal (OÖ) und rasten nachts am nahe gelegenen Almsee.
Traditionell wird in den Dörfern der Umgebung das neue Jahr mit Silvesterfeuerwerken willkommen geheißen. Wascher zeigte, dass in der ersten Stunde des neuen Jahres die durchschnittliche Herzfrequenz der Gänse um 96 Prozent (von 63 auf 124 Schläge pro Minute) und die Körpertemperatur um drei Prozent (von 38 auf 39 Grad Celsius) über den Durchschnittswerten im Dezember lag.
Selbst nach Ende der Kracherei, zwischen 1.00 Uhr und 2.00 Uhr, lag die Herzfrequenz der Vögel immer noch 31 Prozent über dem Normalwert, die Körpertemperatur war weiterhin um drei Prozent erhöht. Nach 2.00 Uhr früh hatte sich die Herzfrequenz wieder normalisiert, die Körpertemperatur blieb aber bis 5.00 Uhr erhöht im Vergleich zu den Dezember-Durchschnittswerten.
Kein Gewöhnungseffekt
Die Wissenschaftler fanden keine Hinweise darauf, dass das Alter der Vögel ihre physiologische Reaktion beeinflusste. Sie deuten das dahingehend, dass Gänse im Laufe der Zeit nicht gegen Feuerwerkskörper "immun" werden.
"Wir gehen davon aus, dass der über mehrere Stunden hinweg festgestellte physiologische Stress einerseits durch die erhöhte körperlicher Aktivität verursacht wird, wenn die Gänse aufgrund des Feuerwerks versuchen zu fliehen, andererseits durch den psychischen Stress", erklärte Wascher gegenüber der APA. Dies führe dazu, dass die Vögel gerade in einer Jahreszeit mit knappem Futterangebot zusätzliche Energie verbrauchen.
Wenige wissenschaftliche Studien
Laut Wascher ist es eine der ersten wissenschaftlichen Studien über die Störung von Wildtieren durch Feuerwerke. In früheren Arbeiten wurde etwa der Stress von Hunden durch Böller und Co gezeigt, auch von Vögeln gibt es Beobachtungen, dass sie durch ein Silvester-Feuerwerk aufgescheucht wurden und mindestens 45 Minuten lang herumflogen. Eine andere Studie an mehreren Tierarten eines Zoos zeigte bei den meisten keine Verhaltensänderungen während eines Feuerwerks.
Die Wissenschaftler wollen nun klären, ob die Gänse auf den Lärm oder die Lichtverschmutzung durch das Feuerwerk reagieren, oder auf eine Kombination aus beidem. Für Wascher zeigt die Studie aber klar, "dass wir Feuerwerke in Gebieten mit großen Wildtierpopulationen auf jeden Fall vermeiden sollten".