"Be brave like Ukraine" - dieser Spruch, der den Mut der Ukrainerinnen und Ukrainer im Krieg gegen Russland beschreibt, wurde bereits zum geflügelten Wort in weiten Teilen der westlichen Welt, auch in Österreich. Die Menschen im angegriffenen Land selbst nutzen seit geraumer Zeit ein eher ungewöhnliches Tier, um ihrem Widerstand und ihrer Stimmung Ausdruck zu verleihen: die Katze. In den zerstörten Stadtteilen sind sie nämlich oft die einzigen Bewohner.

In den Ruinen der stark beschädigten Vorstädte Kyivs (Kiew) riecht es unentwegt nach Verbranntem. Akustisch ist nur wenig wahrzunehmen, immer wieder vernimmt man aber das Miauen von Katzen, die aus den Häusern von Butscha schleichen, in denen schon lange kein Mensch mehr wohnt und in oder vor denen nicht selten auch ihre Bewohner den Tod fanden. Eine offenkundig verletzte Katze humpelt um die Ecke, hinter ihr erkennt man ein ausgebranntes Haus.

Katzen in Kampfmontur

Auf Plakaten sieht man immer wieder Katzen in Kampfmontur, an allen Ecken gibt es etwa Tassen mit martialisch anmutenden Stubentigern zu kaufen, auf denen übersetzt die "Charkiwer Krieger-Katzen" heroisiert werden. Eine Samtpfote hat es dem Land aber ganz besonders angetan: Schafa (Shafa). Und das ist nicht verwunderlich, denn ihre Geschichte ist wirklich einzigartig: Freiwillige der Organisation Zoopatrul fanden heraus, dass eine Katze im siebenten Stock eines bombardierten Gebäudes im stark zerstörten Borodjanka bei Kiew die Angriffe überlebte. Sie baten den staatlichen Notdienst der Ukraine, ein Auto mit einer Treppenleiter zu finden, um das Tier zu retten - dies gelang, nachdem das Fellbündel zwei Monate lang alleine im Gebäude ausharren hatte müssen, ohne Chance, nach draußen zu klettern.

Dieses Video könnte Sie auch interessieren

Patrouillen, die nach Tieren suchen

Zoopatrul ist ein Unternehmen, das in Kiew beheimatet ist. Gegründet wurde es ursprünglich von Künstlern und Filmemachern. Mittlerweile arbeiten hier jedoch rund 80 Menschen aus den verschiedensten Berufen zusammen und helfen den ebenfalls vom Krieg enorm in Mitleidenschaft gezogenen Tieren. Dabei ist diese Hilfe mannigfaltig: Es gibt Patrouillen, die nach den Tieren suchen, auch Pflegepersonal sowie Koordinatoren und Kommunikationsspezialisten. Bei Bedarf wird auch der staatliche Notdienst der Ukraine miteinbezogen.

Müde und wütend

Den Rettern, die Schafa aus dem zerstörten Gebäude holten, fiel sofort ihr spezieller mürrischer Gesichtsausdruck auf: "Es symbolisiert, wie müde und wütend, aber auch wie hartnäckig die Ukrainer sind", erklärt Yevheniia von Zoopatrul. "Doch dieses Kätzchen lebt und das gibt uns Hoffnung und inspiriert uns auch dazu weiter zu leben." Als Fotos von der Rettung Schafas veröffentlicht wurden, ging das Schicksal der Katze viral, denn die Menschen machten sich sofort Sorgen um sie, wie es ihr wohl weiter ergehen werde.

Viele Leute begannen, bei Zoopatrul nach dieser Katze zu fragen und sich nach ihrem Schicksal zu erkundigen. Dies führte sogar dazu, dass sich die Verantwortlichen von Zoopatrul dazu entschlossen, eine eigene Seite für Schafa auf Instagram zu erstellen, denn auf der eigentlichen Seite sollten auch die anderen geretteten Hunde und Katzen Aufmerksamkeit bekommen - immerhin, so Jewhenija, rette man 20 bis 30 Tiere pro Tag.

Pflegefamilien oder Tierklinik

Tiere, die eine Behandlung benötigen, bleiben unter tierärztlicher Aufsicht in Tierkliniken. Genesene Tiere bleiben in Pflegefamilien und warten darauf, dass ihre Besitzer oder eine neue Familie sie abholen. "Um ehrlich zu sein: Unsere Freiwilligen und sogar Streifenpolizisten halten viele der Tiere bei sich zuhause, bis die Besitzer auftauchen. Jeder von uns hat drei bis vier Katzen oder Hunde privat bei sich zuhause."

Und Schafa? Freiwillige von Zoopatrul kümmern sich noch immer um die berühmteste Katze der Ukraine. Beinahe jeden Tag muss sie zum Tierarzt, sie wird gefüttert und liebevoll betreut. "Sie ist noch immer schwach, es ist jeden Tag ein auf und ab", erzählt Jewhenija. Shafa habe aktuell aber nicht nur Probleme mit ihrer Verdauung, sondern sie habe enorme Angst vor lauten Geräuschen, insbesondere vor dem andauernden Fliegeralarm. Darüber hinaus fühle sie sich unter vielen Menschen nun unwohl. Einige Zeit hindurch war Schafa zuhause bei Freiwilligen von Zoopatrul. Nun befindet sich die wohl berühmteste Katze der Ukraine jedoch wegen ihres Gesundheitszustandes wieder in der Tierklinik.

Es gibt Hoffnung

Doch es gibt Hoffnung: "Sie hat einen guten Appetit bekommen, hat zugenommen und wir hoffen wirklich, dass sie sich erholt und ein glückliches Katzenleben führen kann." Spannend: Wer die Besitzer von Schafa sind, weiß man nicht. Bis heute haben sich zwölf Personen gemeldet, die behaupten, Schafas Besitzer zu sein. Daher versuche man vonseiten der Organisation nun, Beweise und dadurch die wahren Besitzer zu finden.

Doch Schafa ist nur ein Beispiel von vielen: Bekannt ist in der Ukraine auch die Katze Stepan aus Charkiw (Charkow), die schon vor dem Krieg ein Star in den sozialen Netzwerken war. Nach Kriegsbeginn fieberte dann gefühlt das ganze Land mit, wie die Katze und ihr Besitzer aus der ostukrainischen Stadt geflohen sind - mittlerweile "postet" Stepan aus Südfrankreich - die Flucht ist gelungen. Aber auch ein anderes Tier hat es den leidgeprüften Ukrainern angetan: Der Minensuchhund Patron, ein Jack Russel Terrier, der die besonders betroffenen Gebiete des Landes hilft zu entminen. Erst vor wenigen Tagen erhielt er von Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich eine Ehren-Medaille. Jewhenija dazu: "Er ist ein Symbol für Beharrlichkeit, harte Arbeit und den Kampf für die Freiheit."