Das ist wichtig zu wissen: Lena Hoschek und ich kennen uns. Schon öfter haben wir über Feminismus diskutiert.
Wie man ihn interpretieren kann oder was eigentlich Weiblichkeit heißt. Wir treffen uns kurz vor der Launch-Party ihrer ersten Business Collection diese Woche im Store in Wien, das Gespräch geht temperamentvoll los, sie spielt gerne mit Klischees. Doch plötzlich wird die steirische Designerin hoch emotional. Es fließen Tränen.


Ihre erste Business Collection ist da, es sind viele einfärbige Kleider zu sehen, sehr figurbetont und sie vor allem: sexy. Eine Blitzumfrage in der Redaktion zeigte, dass die meisten Kolleginnen meinten, so tief dekolletiert könne man nicht in die Arbeit. Was hat Sie motiviert, so eine Serie zu machen?
Lena Hoschek: Auf diese Frage haben wir uns vorbereitet, weil ich natürlich damit gerechnet habe. Sex-Appeal beschäftigt mich nicht nur am Abend, sondern auch tagsüber, weil es mich in meiner Persönlichkeit betrifft. Ich mache keinen Unterschied, ob ich arbeite oder abends ausgehe. Karriere und Weiblichkeit schließen sich nicht aus, im Gegenteil.

Sie wollen also provozieren?
Lena Hoschek: (lacht) Selbstverständlich, ich provoziere gerne, aber tatsächlich habe ich mit der Kollektion versucht, Kleider zu machen, die auch außerhalb der Saison verfügbar sind, und es war der Wunsch vieler Kundinnen nach mehr einfärbigen Teilen.

Ein Modell aus der freizügigen Business Collection
Ein Modell aus der freizügigen Business Collection © (c) Daniel Kindler


Die Kleider sind hochwertig, auch was die Stoffe und die Verarbeitung betrifft, ich möchte aber noch einen Moment bei der Provokation bleiben. Es gibt auch eine Schmucklinie, die auf Anfrage hergestellt wird. Unter anderem gibt es eine goldene Handschelle als Armreifen oder auch ein Lederhalsband, also ein Chocker. Das hat doch einen klaren Fetischanstrich, wie ist das zu interpretieren?
Lena Hoschek: Sexy Secretary (lacht). Es sind extrem hochwertige Teile, die in Zusammenarbeit mit dem Juwelier Julius Hügler entstanden sind, aber vielleicht ist es einfach Ausdruck meines eigenen Geschmacks.

Sie möchten also auch selbst als verwegen wahrgenommen werden?
Es gibt doch nichts Schöneres, als bei der Arbeit auch manchmal an Sex zu denken. Das ist ganz wichtig und wenn man dann aufgeladen nach Hause kommt, braucht es keine andere Inspiration mehr.

Machen wir einen harten Schnitt: Corona hat auch die Modeindustrie verändert. Wie haben Sie das gespürt?
Lena Hoschek: Es hat sich wirklich fast alles verändert. In der Kapazitätsplanung, in der Stoffbeschaffung, der Ukrainekrieg hat hier noch einmal richtig nachgeschoben, weil dort extrem viele Spinnereien und Webereien und auch Anbauflächen für Leinen sind. Der Textilmarkt ist also sehr durcheinandergekommen. Außerdem sind durch die Krise in China auch sehr viele Produzenten aus Asien zurück nach Europa gekommen und haben uns Kapazitäten weggenommen. Es war in erster Linie Troubleshooting.

Einfärbig, elegant, aber eben auch sehr sexy. Die Business Collection von Lena Hoschek
Einfärbig, elegant, aber eben auch sehr sexy. Die Business Collection von Lena Hoschek © (c) Daniel Kindler


Und wie genau hat Corona Ihr Business verändert?
Lena Hoschek: Dass wir jetzt zum Beispiel diese Business-Kollektion haben, hat damit zu tun. Ich wollte etwas herausbringen, das nicht zu Weihnachten schon wieder in den Sale kommt. Mit Lieferverspätungen, wie auch letzten Herbst, hatten wir genau einen Monat den vollen Preis. Das ist katastrophal, weil es sich auf die Profitabilität deiner ganzen Marke auswirkt.

Ukraine und Russland in der "A-Souvenir"-Kollektion


Lena Hoschek Kleider sind an sich schon recht kostspielig, mussten die Preise auch verändert werden durch all die Umbrüche?
Lena Hoschek: Ja, wir mussten raufgehen mit den Preisen. Jedes Band, jeder Knopf, jeder Meter Futter kostet mehr, auch Mitarbeiter und Kosten in den Produktionsstätten sind teurer. Das alles haben wir nicht eins zu eins weitergegeben, aber doch angepasst.

Sie haben die Ukraine schon angesprochen, wir haben nun ein Jahr Krieg erlebt, Ihre letzte Kollektion "A Souvenir" ist inspiriert von der Ukraine, aber auch von Russland, in den Farben, den floralen Mustern. Wie blicken Sie auf diese Zeit und auch auf Ihre Kollektion?
Lena Hoschek: Souvenir heißt auch Erinnerung und diese Rosenmuster vereinen alle Russen miteinander (Anm. das Thema ist für Hoschek offensichtlich sehr emotional, schnell kommen Tränen, ihre Stimme wird leiser). Ich ertrage diesen Krieg nicht, ich kann die Nachrichten nicht anschauen und ich kann mich auch schwer dazu äußern.


Es tut mir leid, dass Ihnen das Thema so nahegeht ...
Lena Hoschek: Ich bin Pazifistin und ich will nicht die einen verurteilen und die anderen hypen, dieser Krieg ist für mich insgesamt schwer zu verkraften. Es gibt immer fiese Interessen, denn Krieg ist immer ein Verbrechen. Natürlich kann man sagen, Europa steht jetzt wieder näher beisammen durch diesen Krieg, doch ich kann die Grenze nicht so stark ziehen. Mir tun auch die russischen Soldaten leid. Wenn sie nicht mittun, werden sie abgeknallt. Es ist erschütternd für mich, aber ich glaube mittlerweile auch an das Böse im Menschen. Leider.