Düster, mysteriös und furchterregend smart – Wednesday Addams ist die Verkörperung des modernen Gothic-Chics. Tim Burtons neue Erfolgsserie mit der 20-jährigen Jenna Ortega in der Hauptrolle zeigt mit viel Liebe zum Detail auf, dass der einstige Nichenstil der 1980er-Jahre, der sich aus dem Punk-Umfeld etablierte, längst massentauglich ist – und alle Blicke auf sich zieht.
1938 entstand die legendäre Addams Family aus der Feder von Charles Addams in Form eines Cartoons im The New Yorker, Weltruhm erlangte die sonderbare Sippe mit dem ersten Spielfilm 1991, in dem Christina Ricci die Rolle der Wednesday verkörperte. Aus einer fiktiven Familie, die durch die überspitzte, humoristische Darstellung der Gothic-Kultur auf viel Zuspruch traf, wuchs die mordlustige Tochter von Morticia und Gomez Addams als Publikumsliebling empor – und entwickelte sich schon damals zur Goth-Ikone.
Sich einfügen, aber nicht genau hineinpassen
Heute ist das Ausbrechen aus normativen Gesellschaftsformen und das Ausleben der eigenen Persönlichkeit durch Mode und Stil gang und gäbe. Gleichzeitig öffnet das den kreativsten Ausrichtungen stilistische Ausdrucksweisen Tür und Tor und macht Wednesday Addams auf diese Weise zu einer Art Gallionsfigur der modernen "Dark Academia Aesthetic". Vor allem in den sozialen Medien und der jungen Zielgruppe findet der Stil, der sich an der dunklen Seite des Farbspektrums und der Ästhetik englischer und amerikanischer Eliteuniversitäten orientiert, großen Anklang. In einem Behind-the-Scenes-Video beschreibt Kostümdesignerin Colleen Atwood die Vision von Wednesday als "den Versuch, sich einzufügen, aber nicht genau hineinzupassen."
Mit dem Stil Wednesdays wird im Serienuniversum ein deutlich erkennbarer Gegenpol zum sonst überspitzt dargestellten Rest der Szenerie kreiert. Obwohl sich der Teenager in einer bunten, beabsichtigt dramatisierten Welt bewegt, hebt sich Wednesday dennoch durch ihren unverkennbaren Kleidungsstil von der Menge ab – eine schöne Metapher dafür, dass Einzigartigkeit immer mehr Akzeptanz und Wertschätzung erfährt. Es entsteht eine Welt, in der der Begriff "Normalität" eine neue Bedeutung gewinnt.
Schaurig-schöner Expressionismus
Die Vermischung von Elementen früherer Darstellungen des Charakters mit formellen Uniformen und leger-modernen Teilen wie gestreiften Hoodies und bequemen, schwarzen Cardigans lassen aus einer fiktiven, realitätsfernen Figur eine nahbare Person werden, mit der sich vor allem junge Menschen identifizieren können. Atwood, die seit Jahren mit Burton zusammenarbeitet, holte auf kreative Weise den ikonischen Ursprungscharakter mit dem markanten Stil und den klassischen Zöpfen in die Jetztzeit, und hauchte ihm die zusätzliche Dynamik moderner Teenager ein. Mit der stetigen Suche nach Zugehörigkeit und dem gleichzeitigen Etablieren der eigenen Persönlichkeit spiegelt sich auch stilistisch eine Phase wider, die viele Menschen in ihrer Jugend durchlaufen.
Nicht nur Wednesday hat den Goth-Chic wieder populär gemacht, seit Jahren inspiriert Burton mit seinen zahlreichen Filmen und dem darin enthaltenen schaurig-schönen Expressionismus die Modewelt und die Wahrnehmung der Goth-Ästhetik beeinflusst. Detailreiche Kostüme und das Verknüpfen moderner Elemente mit Einflüssen aus der Vergangenheit haben aus einem Nichenstil in gewisser Weise einen modischen Ausdruck der Kunst gemacht.