Der Herbst ist da, die Temperaturen sinken und die Tage werden länger - ein guter Zeitpunkt, um sich dem eigenen Kleiderschrank anzunehmen und umzuräumen und auszusortieren. "Von 100 Kleiderstücken nutzen wir im Durchschnitt vielleicht 30", sagt Modedesignerin und Sustainable Stylistin Patricia Fichter, die sich unter anderem darauf spezialisiert hat, die Anzahl der Kleidungsstücke in den Kleiderschränken ihrer Kundinnen und Kunden nachhaltig zu reduzieren und ihnen beizubringen, bewusstere Kaufentscheidungen zu treffen. "Häufig verschwinden Teile sonst ganz hinten im Schrank und man weiß gar nicht mehr, was man eigentlich alles besitzt", so Fichter.
Um nachhaltig auszusortieren, muss zuerst ein Überblick geschaffen werden. "Dazu wirft man am besten wirklich alles aus dem Kleiderschrank heraus und teilt die Stücke thematisch in Haufen ein", erklärt Fichter den Prozess. Das Aussortieren selbst kratzt häufig am Ego der Menschen, weiß die Stylistin. "Da gilt es eben, ehrlich zu sich selbst zu sein, wenn es darum geht, zu schauen, wo man noch hineinpasst und wo eben nicht", so Fichter. "Außerdem ist es wichtig, sich zu überlegen, wann man etwas das letzte Mal anhatte. Einen Unterschied macht es auch, wenn ein Teil einen sentimentalen Wert hat. Solche Dinge sollen und dürfen Platz im Schrank haben."
1000 Euro Ausgaben für Kleidung im Jahr umsonst
Circa ein Drittel des Kleiderschrankes sollte auf diese Weise aussortiert werden können, so Fichter. "Wir tendieren auch dazu, vor allem im Urlaub oft Einzelteile als Mitbringsel zu kaufen, die zwar cool aussehen, aber nicht mit dem Rest unserer Kleiderauswahl kombinierbar sind." Ein erkennbarer Stil und ein zusammenhängendes Farbschema helfe ebenfalls, Ordnung in der heimischen Garderobe zu schaffen. "Wenn alles im Kleiderschrank irgendwie zusammenpasst, schafft man sich automatisch mit wenigen Teilen eine größere Auswahl", weiß Fichter.
Die Stylistin unterstützt seit Jahren Menschen dabei, ihren Kleiderschrank zu sortieren und mit den wichtigsten Basics auszustatten. "Jeder Kleiderschrank erzählt die Geschichte der Trägerinnen und Träger und diese Persönlichkeit soll mit den Teilen im Schrank auch zur Geltung kommen. Dazu braucht es aber keine 300 T-Shirts, Kleider und Jacken." Im Vergleich zu anderen Europäerinnen geben Frauen in Österreich zudem am meisten Geld für Mode aus, weiß die Stylistin. "1500 Euro sind es durchschnittlich im Jahr. Wenn man überlegt, dass nur 30 von 100 Kleidungsstücken auch regelmäßig getragen werden, sind das 1000 Euro, die man im Jahr umsonst ausgibt, hat eine Studie von Labfresh 2020 ergeben."
Teuer vs. billig
Aus diesem Grund lohnt es sich, sich vor einem Kauf folgende Fragen zu stellen, empfiehlt Fichter. "Brauche ich das? Habe ich so etwas Ähnliches bereits? Gibt es eine nachhaltige Alternative?" Rechnerisch zahle es sich aus, sagt Fichter, in nachhaltige Kleidung zu investieren, die vielleicht etwas mehr kostet. "Teile aus gutem Material halten Jahre, während billige T-Shirts schnell kaputtgehen und öfter ausgetauscht werden müssen."
Doch wohin mit den aussortierten Kleidungsstücken? Wer seine Kleidung spenden möchte, ist mit Second Hand-Läden gut bedient. "Im Carla-Laden der Caritas kann man seine Kleidung unkompliziert abgeben, auch Frauenhäuser freuen sich immer über Spenden", so Fichter. Auch Tauschgeschäfte im Freundeskreis bieten sich für die Weitergabe der Kleidung an.
Tinder für Kleidung
Mit der App "Uptraded" reiht sich unterdessen die 23-Jährige Tirolerin Anna Greil in die Riege der App-Anbieter für Second Hand-Kleidung und Kleidertausch ein - mit einem ungewöhnlichen Twist. "Es ist wie Tinder für Kleidung", erklärt sie. "Man lädt seine eigenen Kleidungsstücke hoch, stellt unter anderem den eigenen Standort und die Größe ein und kann sich dann durch das Angebot swipen und bewerten, was einem gefällt und was nicht." Matchmaking heißt das angewandte Prinzip.
Kommt es zu einem Match zwischen zwei Anbietern, können die jeweiligen Kleidungsstücke getauscht werden - im realen Leben oder per Versand. Seit Sommer 2022 gibt es die App, bereits 11.000 Personen haben sie gedownloaded. "Das hätte ich nicht gedacht, als uns 2020 die Idee kam", so die junge Studentin, deren Einstellung gegenüber Modekonsum sich um 180 Grad gewandelt hat. "Vorher habe ich mir nie Gedanken gemacht, wo meine Sachen herkommen, doch seitdem wir mit der App begonnen haben, habe ich selbst fast nichts Neues mehr gekauft."
50 Euro hat die 23-Jährige in den letzten Jahren insgesamt für Kleidung ausgegeben, die meisten "Neuanschaffungen" hat sie sich ertauscht. "In meinem Fall geht das vielleicht ein wenig leichter als für andere, weil ich durch meinen Job ständig auf Tauschevents unterwegs bin. Doch das System ist cool, denn so habe ich eine ständig wechselnde Auswahl und bin dennoch nachhaltig." In Österreich fehle es noch an der Tausch- und Second Hand-Kultur, "vor allem außerhalb der größeren Städte", weiß sie. "Von Berlin kann man sich da noch eine Scheibe abschneiden", findet sie.