Biobaumwolle hier, eine recycelte Kollektion dort – immer mehr Modeunternehmen legen sich die grüne Schärpe der Nachhaltigkeit um. Was Konsumentinnen und Konsumenten häufig nicht sehen: die Marketingmaschinerie hinter den bunten, fröhlichen Kampagnen zahlreicher Modehäuser – und somit ein sorgfältig fabriziertes Bild, das mit der Realität häufig wenig gemeinsam hat. Das sogenannte "Greenwashing" ist nicht erst ein Produkt der allgemeinen Bewegung der Bevölkerung hin zu mehr Klima- und Umweltschutz, sondern wird bereits seit Langem als Strategie genutzt, um von der unethischen Herstellung von Konsummitteln abzulenken.
Stark von Greenwashing betroffen ist die Modebranche. "Fast-Fashion-Unternehmen betreiben grundsätzlich Greenwashing, wenn sie einen auf nachhaltig machen", sagt Konsum- und Greenwashing-Expertin Nunu Kaller. "Eine Industrie, die damit arbeitet, dass sich Kreisläufe möglichst schnell drehen und möglichst viele Produkte in kurzer Zeit auf den Markt zu bringen, kann niemals nachhaltig sein, auch wenn sich Unternehmen diesen Begriff an die Fersen heften."
Grüne Lügen
Eines der größten Probleme sieht Kaller bereits in der Art und Weise, wie den Konsumentinnen und Konsumenten Nachhaltigkeit vermittelt wird. "Wenn ein Unternehmen nicht verhältnismäßig kommuniziert, also unter anderem eine Riesenkampagne für eine einzige grüne Linie startet, sollten die Leute schon das erste Mal stutzig werden", sagt Kaller. Eine Vorgehensweise, die sie scharf kritisiert. "Zu behaupten, man wäre plötzlich aufgrund einer 'grünen' Kollektion, die wenige Prozent des verfügbaren Sortiments ausmacht, nachhaltig, ist für mich nicht nur höchst fragwürdig, es ist schlichtweg gelogen und unfair gegenüber den Menschen, die vielleicht glauben, durch den Kauf etwas zum Klimaschutz beizutragen."
Auch recycelte Materialien retten den Planeten nicht, hinsichtlich wiederverwendeten Polyesters sei sogar das Gegenteil der Fall, so die Expertin. "Recyceltes Polyester ist zwar nicht neu, aber die Gefahr geht dann in weiterer Folge eher von dem Mikroplastik aus, das durch das Waschen weiterhin unser Wasser verunreinigt." Grundsätzlich steht Kaller dem Begriff "Recycelbar" kritisch gegenüber – es sei eine Irreführung der Konsumentinnen und Konsumenten, sagt sie. "Der Begriff würde voraussetzen, dass die einzelnen Komponenten der Produkte getrennt werden können, das geht aber in den meisten Fällen nicht. Auch wenn ein Schuh 71 Prozent recycelbares Material enthält, wie sollen diese 71 Prozent von den Kunden aus dem Rest des Schuhs herausgelöst werden? Und gibt es überhaupt Abfallwirtschaftssysteme für diese Materialien oder sind sie nur theoretisch recycelbar?"
Fragwürdige Siegel
Ein ähnliches Problem gelte für das Material Polylactid (PLA), ein auf Zuckerrohr oder Mais basierender Polyesterstoff, aus dem auch Taschen hergestellt werden. "Es ist ein theoretisch recycelbares Material, doch in Österreich gibt es keine Möglichkeit, den Recyclingprozess durchzuführen." Aus diesem Grund sieht Kaller dringenden Handlungsbedarf in der Gesetzgebung, um die Nutzung von gewissen Formulierungen einzuschränken oder zu verbieten.
Auch mit Gütesiegeln wird in der Modebranche gerne ein irreführend grünes Bild vermittelt. "Better Cotton betreibt in meinen Augen gewaltiges Greenwashing", weiß Kaller. Durch die Vergaberichtlinien des industriegegründeten Labels sei es den Bauern gestattet, auch genetisch verändertes Baumwollsaatgut zu verwenden, sagt sie. "Bei industriegegründeten Siegeln sollte man ohnehin immer Vorsicht walten lassen, da die Unternehmen sich die Regeln natürlich so legen, wie es ihnen passt. Besser sind unabhängige Siegel." Greenpeace veröffentlichte als Orientierung und Hilfestellung in der Vergangenheit einen Guide für Textilsiegel, der Menschen beim Kauf von Kleidung unterstützen kann.
Aufklärungsarbeit
Im Rahmen des 29. Jahrgangs der Österreichischen Medienakademie entstand zudem die von sechs Journalistinnen und Journalisten geführte unabhängige Plattform "Inspektorin Grün". Seit 2021 klären die Mitglieder über Greenwashing auf und nehmen verschiedene Unternehmen genau unter die Lupe. "Wir verfolgen ein wenig einen konsumentenschützerischen Ansatz und schauen uns an, ob die nachhaltigen Werte, mit denen Firmen werben, auch tatsächlich stimmen", erklärt Redakteur Matthias Schmid. Auch er sieht die Verantwortung bei der Politik, strengere Regeln hinsichtlich Markenkommunikation und Siegeln einzuführen.
Derzeit ist die ehrenamtlich geführte Plattform auch für den "Social Impact Award" nominiert. "Wir arbeiten gerade daran, wie es zukünftig für uns weitergeht und wie wir weiter Menschen hilfreiche Informationen liefern können."
Um Greenwashing aus dem Weg zu gehen, sieht Kaller unterdessen nur einen hilfreichen Weg. "Es gibt inzwischen so viele kleine Labels, bei denen alles fair produziert wird, dass es im Grunde nicht mehr notwendig ist, Fast Fashion zu konsumieren. Und Secondhand ist am Ende die ökologischste Form des Modekonsums." Etwas, dass Kaller jedoch unterstreichen will: "Am Ende des Tages wird alle Schuld immer auf den Endkonsumenten abgewälzt und jenen Menschen die Verantwortung übertragen, die am wenigsten an dem Problem des Greenwashings ändern können. Das gibt zu denken. Man ist kein böser Mensch, wenn man hin und wieder doch Fast Fashion kauft. Man hat aber ein Recht darauf, nicht belogen zu werden, dass das was Gutes wäre."