600 Jahre braucht ein Nylonnetz, das im Fischfang verwendet wird, um von der Natur zersetzt zu werden. Weltweit ist die Fischereiindustrie für mehr als eine Million Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen verantwortlich, 1250 Kilometer Netz landen pro Jahr allein in den europäischen Meeren – eine kaum vorstellbare Menge. Der Plastikmüll gefährdet nicht nur die fragile Flora und Fauna in den Ozeanen, sondern trägt auch einen großen Teil zum Klimawandel bei und ist ein Zeugnis gescheiterten Managements in der Abfallwirtschaft.

In der Modeindustrie hat sich unterdessen eine Bewegung entwickelt, die die sogenannten Geisternetze, die 46 Prozent der Meeresverschmutzung ausmachen, nutzbar machen und wiederverwerten – zu Bekleidung. Ein Schritt in die richtige Richtung, der allerdings Tücken birgt. "Das Problem ist, dass nur sortenreine Kunststoffe zu Mode weiterverarbeitet werden können", weiß Textilexpertin Gabriele Homolka von der Umweltberatung. "Viele Geisternetze sind von vornherein unbrauchbar, weil sie bereits von anderem im Meer schwimmenden Müll verunreinigt wurden und man sie nicht mehr in ihre Bestandteile auftrennen kann."

Fairer Preis für Fischernetze

Grundsätzlich sieht Homolka aber durchaus einen Sinn hinter dem Nutzen der Fischernetze zur Erzeugung von Kleidungsstücken. "Jedes Netz, das weniger im Ozean schwimmt, ist ein Gewinn", sagt sie. Vor allem passiere es auch den sorgsamsten Fischereiunternehmen, dass Netze hin und wieder verloren gehen. "Die Tiere, die sich darin verheddern, verenden qualvoll." Zudem gelange durch die Zersetzung gefährliches Mikroplastik ins Meer.

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Allgemein sieht Homolka großes Potenzial darin, Fischereiunternehmen Anreize zu bieten, ihre Netze fachgerecht zu entsorgen. "Das beginnt schon damit, den Fischern das Material zu einem fairen Preis abzukaufen." Das Problem vollständig lösen kann aber auch die Verwertung der Plastiknetze nicht. "Wir hinken einfach in vielerlei Hinsicht noch stark hinterher. Obwohl vergangene Krisen durchaus bereits einen positiven Effekt hatten, denn sie haben bewirkt, dass neue Rohstoffe in Altstoffen entdeckt und verbessert wurden und danach genutzt wurden, um etwas Neues zu schaffen."

Bademode aus Econyl

Ein österreichisches Unternehmen, das bereits mit Stoff aus Fischernetzen arbeitet, ist Margaret & Hermione. Geschäftsführerin Barbara Gölles macht es sich seit 2015 zur Aufgabe, nachhaltig produzierte Bademode herzustellen und nutzt das sogenannte Econyl, das Textil, das aus Fischernetzen hergestellt wird. "Zum damaligen Zeitpunkt hat in Europa noch kaum jemand über diese Möglichkeit nachgedacht, ich bin nur durch Recherche auf ein australisches Unternehmen gestoßen, die den Stoff nutzen", so Gölles. Zu Beginn sei der Stoff zudem schwer zu bekommen gewesen.

Barbara Gölles stellt Bademode aus Fischernetzen her
Barbara Gölles stellt Bademode aus Fischernetzen her © Karin Hackl

Heute wird das von Gölles genutzte Econyl aus Italien angeliefert. "Das Unternehmen, das den Stoff herstellt, verwendet Netze, die aus dem Mittelmeer geholt werden und betreibt selbst Forschung zur Verbesserung der Herstellung von nachhaltigen Materialien", weiß Gölles. Für ihre Sportkollektion kommt ein 100 Prozent pflanzenbasierter Stoff aus Rizinusöl zum Einsatz.

Kritik am Greenwashing

Inzwischen bestehen die Stoffe außerdem nicht mehr nur ausschließlich aus Netzen, auch recyceltes Polyamid wird in den vor allem für Bademode geeigneten Stoff verarbeitet. Neben Nachhaltigkeit fokussiert sich die Unternehmerin zudem auf Inklusivität. "Ich arbeite bewusst gegen diese laszive Marketingmethode großer Marken, mit der Bademoden vertrieben werden. Realistische Körperformen und ein positives Körpergefühl für Frauen jeden Alters müssen normalisiert werden", sagt sie. Aus diesem Grund wurde die neue Kampagne ausschließlich mit Frauen über 40 geshootet.

Auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit übt die Unternehmerin an Großunternehmen Kritik. "Viel zu oft wird Dingen ein grüner Stempel aufgedrückt, die mit der Hilfe für den Planeten wenig zu tun haben", sagt Gölles.

Die neue Kollektion wurde mit Frauen über 40 geshootet
Die neue Kollektion wurde mit Frauen über 40 geshootet © Yasmina Haddad

Alltagsgegenstände aus Fischernetzen

Homolka hebt unterdessen die positiven Entwicklungen abseits der Modeindustrie hervor: "Immer mehr Hersteller greifen auf nachwachsende Rohstoffe zurück, nicht nur zur Herstellung von Stoffen.  Aus Fischernetzen wird außerdem auch Partikelschaum hergestellt, aus dem Möbel und andere Alltagsgegenstände geformt werden können." Im Vergleich könne in der Herstellung der Gegenstände so sieben Prozent CO₂ eingespart werden. So wurde aus dem Partikelschaum in den Niederlanden unter anderem bereits eine Transportbox für Lastenfahrräder entwickelt.

Trotz allem sei auch Recycling am Ende des Tages sehr energieaufwendig, weiß die Textilexpertin. "Die beste Kleidung ist deshalb die, die man am längsten verwendet."