Dirndl, Schürze, Lederhose, Lodenjacke – Teile, die gemeinsam ein klassisches Trachtenoutfit ergeben. Von Kirchtag oder Brauchtumsfest sind die traditionsbehafteten Kleidungsstücke nicht wegzudenken, auch auf Hochzeiten wird Tracht inzwischen immer beliebter. Vor allem im 19. und 20. Jahrhundert entwickelte beinahe jede Region seine eigene, unverkennbare Tracht, mit Farben, Stickmustern und Stoffen lassen sich die Kleider auch heute noch den jeweiligen Örtlichkeiten zuordnen.
Während bei den einen Dirndl und Lederhose einen fixen Platz im Schrank haben, werden die anderen mit den Kleidungsstücken nicht warm. Ein Grund für zahlreiche Trachtenunternehmen, Traditionskleidung neu zu definieren und sie geschickt mit Einflüssen der Gegenwart zu verknüpfen. Eines davon ist das Grazer Unternehmen "Lotta Leben" – Gründerin Marie-Alice Seidel verbindet mit ihrer "Trachtika" den Schnitt luftig-sommerlicher Tunikas mit traditionellen Trachtenelementen. "2018 habe ich erst begonnen, Dirndln in drei Teile aufzuteilen, die man sich individuell zusammenstellen konnte, im Lockdown 2020 habe ich dann die 'Trachtika' entwickelt", sagt die gebürtige Münchnerin, die seit 2005 in Graz lebt. Seidels 10-jährige Tochter Carlotta fungierte als Namensgeberin des regionalen Unternehmens.
Alltagstauglichkeit und Individualität
Mit Bändern und Spitze veredelt sie ihre alltagstauglichen Kleider aus Baumwolle und lässt sich für die Stickereien unter anderem von den Mustern auf alten Bauernschränken inspirieren. Produziert werden die Kleider ausschließlich innerhalb Europas, unter anderem arbeitet sie auch mit der Steyrischen Zeugdruckerei in Vasoldsberg zusammen. "Die 'Trachtika' soll ein Kleidungsstück sein, das für jeden Anlass geeignet ist, egal ob eine Hochzeit, ein Brauchtumsevent oder einen Urlaub am Strand. Ein Dirndl lässt auch nicht in jeder Lebenssituation tragen, ich wollte diese Tradition, die sowohl in Bayern als auch Österreich stark verwurzelt ist, für den Alltag einsetzbar machen."
Während Seidel ihren Fokus auf eine moderne Interpretation von Tracht legt, hat sich Claudia Hochmüller von "Grünschnabel & Gänseblümchen" in Finkenstein in Kärnten darauf spezialisiert, personalisierte Tracht für ihre Kundinnen und Kunden herzustellen. Auf selbstgeschneiderten Schürzen und Trachtengilets verewigt die gebürtige Wienerin Erinnerungen in Form von Fotos. "Egal ob Fotos von Wanderungen oder schwarz-weiß Bilder aus alten Familienalben, ich habe schon fast alles auf meinen Schürzen verewigt", erzählt Hochmüller, die sich in Wien zur Textildesignerin ausbilden ließ und neben Schürzen und Gilets auch alltagstaugliche, maßgeschneiderte Trachtenröcke aus Baumwolle und Leinen herstellt.
Tracht darf sich weiterentwickeln
"Ich liebe es, die Geschichten hinter den Fotos, die ich auf die Schürzen drucken lasse, zu erfahren. Da sind auch bei mir schon mal die ein oder anderen Tränen gekullert", erzählt sie. Ganze Familien hat die Wienerin, die 2008 nach Kärnten zog, schon mit ihren individuell bedruckten Teilen ausgestattet. "Bevor ich mein Unternehmen gegründet habe, hatte ich nämlich ursprünglich die Idee für eine Kinderlinie, darum wollte ich auch Röcke für Kinder herstellen." Durch die Wickeltechnik können die Röcke von den Kleinen jahrelang getragen werden, ein nachhaltiger Aspekt, der der Unternehmerin wichtig ist. Seit 2021 stellt Hochmüller auch Hosenröcke her. "Tracht darf trotz aller Tradition nicht stehenbleiben und sollte sich mit uns als Gesellschaft weiterentwickeln", findet 44-Jährige.
Das unterschreibt auch Rettl-Geschäftsführer Thomas Rettl, der mit seinen Kilts in Sachen Tracht eine ganz individuelle Richtung eingeschlagen hat. Die mehr als 1500 Jahre alten Keltenkaros hat der Kärntner Unternehmer erfolgreich mit Elementen verbunden, die das Bundesland auszeichnen, so findet sich nicht nur das braun und grün des Kärntner Anzugs, sondern auch die Farben der Landesfahne und Blau als Repräsentation für die Seen in den Designs des Unternehmens.
Mehr als ein Weg, Tradition zu leben
"Wir sehen uns auch nicht als klassische Trachtiker", sagt Rettl. "Unser Anspruch war immer, Individualität großzuschreiben. Viele unserer Designs sind aus Kundenwünschen entstanden, die wir dann in die Linie übernommen haben. Der Mensch war immer schon modebewusst und sich darauf zu versteifen, dass es nur einen Weg gibt, Tradition zu leben, ist nicht der richtige Weg."
Hergestellt werden alle Teile zu 80 Prozent in Österreich, der Rest wird in Italien und Ungarn gefertigt. Aus diesem Grund produziert das Unternehmen auch keine großen Auflagen ihrer Stücke. "Wenn wir größer werden würden, würde das auch bedeuten, dass wir nicht mehr alles selber machen könnten." Diese schlanke Struktur sichere den Erhalt des Grundgedankens des Unternehmens – sich auf die Wünsche der Kundinnen und Kunden einlassen zu können und Einzigartiges zu fertigen. "Für Tracht für alle sind wir ohnehin zu speziell", schmunzelt Rettl.
Tracht mitgestalten
Auch seine eigene Patchwork-Familie findet sich in den Stoffmustern wieder. "Der Patchwork-Kilt ist eine Hommage an unsere Familie. Alle arbeiten mit." Individueller Tracht ist für Rettl zudem der Weg, auch junge Menschen wieder für Tradition zu begeistern. "Den Stolz auf die eigene Herkunft zu zeigen, ist sofort leichter, wenn man die eigene Tracht mitgestalten kann."