Klammert man die vorbeifahrenden Autos einmal aus und ersetzt sie durch eine fabelhafte Nummer namens „Red Right Hand“ von Nick Cave, dann hätte man schon ein perfektes Seriensetting: Wie sie da so sitzen, würden Adi Berghold und Robert Krenn glatt als Statisten für die Kultserie „Peaky Blinders“ durchgehen. Dreiteiler, feiner Zwirn und die Schiebermütze in Griffweite, die Set-Ausstatter wären vollauf zufrieden. Wobei, um eines klarzustellen: Set ist das hier keines, sondern eine Lebenseinstellung. Vor allem bei Adi Berghold, der seine Liebe zu Tweed, Anzügen und Mode der 1920er-Jahre in seinem Grazer Geschäft „very-tasch“ seit Jahren zelebriert. Wenn nun die Kultserie „Peaky Blinders“ (Netflix) mit der sechsten Staffel zumindest als Serie zu Ende geht – ein Folgefilm ist geplant – macht sich auch hier in der Mandellstraße ein bisschen Wehmut breit.

Mit der Serie „Peaky Blinders“ hat die BBC seit 2013 den Kult um die 1920er neu aufleben lassen. Im rauen Birmingham eröffnen die drei Shelby-Brüder nach dem Ersten Weltkrieg gleich ein paar neue Fronten: Man will aufsteigen, aber setzt auf ein schwer kontrollierbares Pferd – als kriminelle Familiengang hat man wenige Freunde, aber dafür umso mehr Feinde. Im Auftritt sind sie immer fesch, aber weniger schön in den Mitteln ihrer Wahl. Dass in den berühmten Schiebermützen die Rasierklingen für den Straßenkampf versteckt sind, gibt einen kleinen Hinweis darauf, dass hier mit mehr als nur harten Bandagen gekämpft wird.

Hat ein Händchen für Mode: Adi Berghold von "verytasch"
Hat ein Händchen für Mode: Adi Berghold von "verytasch" © (c) Manuel Hanschitz

Rasierklingen gibt es hier im „verytasch“ natürlich keine, auch, weil die Bärte hier schon perfekt genug gestutzt sind. Ansonsten ist hier alles vorrätig, um in die Modewelt dieser Zeit einzutauchen: Dreiteiler in Tweed oder leichteren Sommerstoffen, Schiebermützen, Hosenträger und natürlich jede Menge Fachwissen.„Die Serie war für diese Form von Stil sicher ein Schub und hat das Interesse einer gewissen Klientel geweckt“, wie Berghold erklärt. Wobei sich viele seiner Kunden zunächst vorsichtig annähern – über einen kompletten Dreiteiler, wie ihn Berghold standardmäßig trägt, traut sich im Alltag kaum einer drüber: „Viele tragen etwa zunächst nur das Sakko oder auch nur Weste oder Hose.“

Wobei das Kombinieren mit Jeans oder T-Shirt auch hier nicht allzu streng gesehen wird – obwohl „Der Gentleman“, das Standardwerk des renommierten Männermodeexperten Bernhard Roetzel, hier in Griffweite liegt. Es ist die grundsätzliche Bereitschaft sich in Schale zu werfen, die mehr und mehr abnimmt, wie Berghold feststellt: „Gerade in der Coronazeit hat man gemerkt, dass die Leute nicht rausgekommen sind und vor allem Haus- und Sportkleidung getragen haben. Es ist natürlich wahnsinnig schwer, das wieder aus den Leuten rauszubringen.“

Stilsicher: Robert Krenn mit Schiebermütze
Stilsicher: Robert Krenn mit Schiebermütze © (c) Manuel Hanschitz
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Robert Krenn hingegen, Freund des Hauses und des Hausherrn, schwört auf seine Schiebermützen und den Stil der 1920er: „Es ist der Reiz des Außergewöhnlichen. Man hat etwas anderes an als die anderen Leute und ja, man fällt damit auch auf.“ Eine Zwischendurchphase ist das nicht und das Wort Hipster sollte hier bitte auch nie fallen, denn die Beschäftigung mit Mode ist alles andere als ein flüchtiges Geschäft, sondern Einstellungssache. Und dass „Peaky Blinders“ eine britische Serie ist, ist auch kein Zufall. Das Land der Dandys hat schon im 18. Jahrhundert der quietschbunten Höflingsmode eine Absage erteilt und legte so den Grundschnitt für den modernen Anzug.

Mode für Fans der 1920er-Jahre im "verytasch"
Mode für Fans der 1920er-Jahre im "verytasch" © (c) Manuel Hanschitz


Der Urvater der Dandys, George Bryan Brummell (1778–1840), verschaffte sich dann mit seinem Modeverständnis trotz nicht adeliger Abstammung Zutritt zu den allerhöchsten Kreisen. Ihn als Influencer zu bezeichnen, ist zwar vielleicht nicht sonderlich elegant, aber durchaus stimmig. „Der Anzug ist die moderne Rüstung des Gentleman“, heißt es so schön in der Filmreihe „Kingsman“, bei den feinen ausstaffierten Agenten aus der Savile Row, der legendären Straße der britischen Herrenschneider in London. Dort hat sich unter der Federführung von Gustav Temple eine eingeschworene Gemeinschaft gegründet, die diese Form der Mode und Haltung zelebriert. Und auch protestiert, so nötig: Als 2012 das kalifornische Gute-Laune-College-Mode-Label „Abercrombie and Fitch“ ausgerechnet in der Savile Row einen Store eröffnen wollte, marschierten mehrere Dutzend in Tweed gewandete Damen und Herren dort auf. Der Store ist dort seit dem Vorjahr Geschichte, aber Gustav Temples Magazin „The Chap“ hält seit 23 Jahren die Wertewelt der britischen Dandys hoch.

Im „verytasch“ wird unterdessen mit viel Hingabe das Innenfutter einer Anzugjacke besprochen: Ein Schwarm bunter Schmetterlinge flattert zwischen den Ärmeln hin und her. Der Blick für die Details und die Gesamtkomposition ist hier Programm. Das ist alles andere als ein Nachteil, sondern einfach das Gegenteil von Fast Fashion. „Zeitlos schön“ könnte man auch dazu sagen.

Das "verytasch" in der Grazer Mandellstraße
Das "verytasch" in der Grazer Mandellstraße © (c) Manuel Hanschitz