Böse Zungen könnten glatt behaupten, dass da wohl höhere Mächte im Spiel gewesen sind. Ende März haben das US-Kunstkollektiv MSCHF und der Rapper Lil Nas X zu dessen Single „Montero“ den „Satan-Schuh“ auf den Markt gebracht: selbstverständlich ein Turnschuh, aber einer aus der Hölle. Rot-schwarz, mit Pentagramm, Verweis auf die Bibelstelle Lukas 10:18 („Ich sah Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“) und roter Flüssigkeit in der Sohle, die natürlich einen Tropfen Blut der Mitglieder des MSCHF-Kollektivs enthält. Mehr brauchst nicht!

Stimmt, mehr brauchst nicht, um den perfekten Samen für einen Hype zu legen. Das Substrat: die Kooperation, am Streetwearmarkt eine der wichtigsten Voraussetzungen. Die Nährlösung: die Verknappung. 666 Stück zu je 863,88 Euro wurden auf den Markt geworfen. Das nötige Licht: die ultimative Aufmerksamkeit. Während ultrareligiöse Politiker in den USA in Schnappatmung verfielen, klagte der weltgrößte Sportartikelhersteller Nike wegen Markenrechtsverletzung – weil das Logo der Marke ohne deren Wissen den Schuh ziert.

Die Streetwearlogik

Was nach einem klaren Fall von Logo-Klau aussieht, muss unter dem Gesichtspunkt der Streetwearlogik betrachtet werden. Denn als MSCHF vor einem Jahr im gleichen Stil den „Jesus-Schuh“ mit Wasser aus dem Jordan in der Sohle auf den Markt warf, war von Klage keine Rede. Denn eines ist klar: Man sonnt sich gerne in der Abwärme des Hypes, noch mehr, wenn sie cool und gratis ist. Nach nur fünf Tagen einigte man sich mit Nike: Wer die Schuhe an MSCHF zurückgeben will, kriegt sein Geld zurück. Mehr Lachnummer geht nicht. Längst kosten die Schuhe auf Ebay zwischen 3000 und 10.000 Euro, und das ist erst der Anfang.

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Streetwear, also Mode, die ursprünglich aus dem Hip-Hop kommt und stark von der Sport- und Skaterszene beeinflusst ist, ist seit vielen Jahren eine Spielwiese der Hypemaschine. Der Tanz ums Goldene Kalb namens Markenkleidung ist das Maß aller Dinge. Es mag ein Massenmarkt sein, aber der elitäre Zugang ist durch die Verknappung durch die Stückzahl gegeben. Plattformen für Sammler boomen. Wie etwa StockX, die Streetwear und vor allem Turnschuhe anbietet, ist inzwischen 3,2 Milliarden Euro wert.

Das Gespür des Virgil Abloh

Auf der Plattform gibt es mittlerweile eine eigene Sektion für den Namen Virgil Abloh, ein Architekt und Bauingenieur aus Rockford, Illinois, der seit März 2018 Kreativchef der Männerlinie von Louis Vuitton ist. Ein Modeautodidakt in der High Fashion? Ja, denn sein Gespür für Streetfashion bringt den Luxusmarken nicht nur die nötige Aufmerksamkeit, sondern auch die Fans und vor allem Käufer, die Abloh mit seinen zahlreichen Design-Kooperationen und seinem Streetwear-Label „Off-White“ mitbringt. Was Abloh vor allem beherrscht, ist: von anderen zitieren und kopieren, ganz genau kann man die beiden Begriffe bei ihm nicht trennen, was ihm bisweilen auch den Vorwurf einer Copycat einbringt. Was Konzerne von Nike bis Ikea und von Vitra bis Braun nicht davon abhält, mit ihm zu kooperieren. Und es zahlt sich aus, denn wo Abloh draufsteht, ist der Aufmerksamkeitsturbo drin. Dass man bei Louis Vuitton, zum Luxuskonzern LVMH gehörig, ein gutes Händchen für Streetwear hat, sieht man auch an den Promis, die für sie werben, darunter niemand Geringerer als Jaden Smith, Sohn von Will Smith. Er gilt als einer der wichtigsten Influencer im Bereich der Streetwear.

Ausgewählte Streetwear-Marken:

Bape oder A Bathing Ape wurde 1993 vom japanischen Designer, DJ und Musikproduzenten Nigo in Tokio gegründet. Seit 2011 ist der Modekonzern I.T der Mehrheitseigentümer. Der Markenname ist eine Anspielung auf reiche japanische Kids, die es sich gut gehen lassen und vom Geld der Eltern leben.

Off-White: Das 2013 von Virgil Abloh gegründete Streetwear-Label hat seinen Sitz in Mailand. Die Marke, deren Logo vier auseinanderstrebende Pfeile sind, zeigt seine Kollektionen längst auch bei der Fashion Week in Paris. Off-White ist eine der hochpreisigsten Marken im Streetwear-Segment. Im Sneakerbereich gibt es regelmäßige Kooperationen mit Nike.

Supreme:Was 1994 als kleines Geschäft im New Yorker Viertel SoHo begann, ist längst eine internationale Modekette mit Filialen in den großen Metropolen. Der Brite James Jebbia schuf in den Anfangsjahren mit seinem Geschäft einen beliebten Treffpunkt für die Skaterszene. Im November kaufte der Modekonzern VF Corporation die Marke für 2,1 Milliarden Dollar.

Vetements: Pullover in Übergrößen mit dem DHL-Logo, Plastikschuhe und Schlabberhosen. Die Kultmarke wurde 2014 von einem Kollektiv rund um das georgisch-deutsche Brüderpaar Demna und Guram Gvasalia gegründet. Sie inszeniert das Banale und beeinflusst so immer wieder die High Fashion. Demna Gvasalia ist seit 2015 Kreativdirektor von Balenciaga.

Streetwear aus Österreich:

Kids of the Diaspora:Ein kleines Label aus Wien, das sich nicht nur der Nachhaltigkeit, sondern vor allem der Diversität und der Inklusion verschrieben hat. Die Familie der Markengründerinnen Cherrelle und Leni Charles kommt aus Nigeria und sie machen seit 2017 Streetwear mit einer politischen Botschaft: Hinterfragt das Konzept der Minderheiten!