Cremen, trainieren, gesunde Ernährung, chronischer Selbstzweifel: Auch die Australierin Taryn Brumfitt stand mit ihrem Körper auf Kriegsfuß. Die dreifache Mutter trainierte wie verrückt und machte sich sogar als Bodybuilderin einen Namen. „Und dann stand ich da mit meinem perfekten Körper und war unglücklich. Zu viel Zeit, zu viele Opfer, zu viel Besessenheit. Das ist es einfach nicht wert.“ Also beendete sie ihr Training und lebte ihr Leben mit Genuss bis sie im Jahr 2013 ein Vorher-Nachher-Foto auf Facebook postete. Mit ungeahnten Folgen. Über 100 Millionen Menschen sahen das Foto und lobten den Mut der Australierin. Diese virale Explosion eines scheinbar verkehrten Vorher-Nachher-Vergleichs zeigt, welcher Leidensdruck Frauen global verbindet.
Überwältigende Rückmeldungen
Die überwältigenden Rückmeldungen brachten Brumfitt dazu, sich auf eine filmische Reise rund um die Welt zu machen, bei der sich alles um eine Frage drehte: „Warum hassen so viele Menschen ihren Körper? Morgen ist das Ergebnis „Embrace. Du bist schön“ im Kino zu sehen. Brumfitt wünscht sich, dass sich Menschen, die ihren Film sehen, klar machen: „Die Medien und die Werbung präsentieren eine Art von Körper als Standard. Tatsächlich sieht kaum eine Person auf diesem Planeten wirklich so aus, die Bilder werden bearbeitet. Das führt dazu, dass sich völlig gesunde Menschen unzulänglich fühlen. Wir sollten ihnen diese Lügen nicht mehr abkaufen.“
Doch die Beeinflussung des eigenen Körperbildes beginnt schon früh: Eine Studie über das deutsche Kinderfernsehen hat gezeigt, dass zwei von drei weiblichen Zeichentrickfiguren so lange Beine und eine so dünne Taille haben, wie sie ein Mensch nicht einmal durch Schönheitsoperationen erreichen könnte. „Dadurch werden die Fantasien beeinflusst“, sagt Marguerite Dunitz-Scheer. Sie behandelt magersüchtige Jugendliche und weiß, dass jede öffentliche Darstellung die Vorstellung davon, wie man selbst auszusehen hat, prägt. „Die Gesellschaft hat eine starre Vorstellung davon, wie man sein und aussehen soll, besonders für Frauen.“ So würden das Schlanksein, ein flacher Bauch oder superdünne Oberschenkel zu Definitionsmerkmalen - gerade für Jugendliche.
Perfekte Selfies setzen unter Druck
Heute sind es nicht mehr nur Models in Hochglanzmagazinen: Instagram oder Facebook werden zu Tempeln, in denen sich die Gläubigen des Schlankheitswahns gegenseitig mit perfekten Selfies unter Druck setzen. Auch Stars spielen fleißig mit: Urlaubs-Schnappschüsse von makellosen Bikini-Rundungen hallen bis in die hinterste Umkleidekabine nach. Besonders perfide: Unter dem Hashtag #nomakeup zeigen sich Stars und Sternchen angeblich ungeschminkt und echt. Doch während es manche ernst und ehrlich meinen, ist bei anderen der vermeintliche Schritt in Richtung Selbst-Befreiung von erdrückenden Körperbildern nur ein weiteres Druckmittel, denn: Überraschenderweise sehen die Stars auch ungeschminkt umwerfend gut aus.
Während diese Flut an Bildern Frauen - und natürlich auch Männer - in ihrer Individualität zu verschlucken droht, sagt Expertin Dunitz-Scheer: „Der noch größere Faktor in der Beeinflussung ist die Stimmung und Esskultur zu Hause.“ Wenn Mütter sich selbst nur Salat zugestehen, um ja nicht zuzunehmen und täglich mit ihrem Aussehen hadern, habe das einen fatalen Einfluss auf Kinder. Diese Vorbildwirkung hat auch Brumfitt erkannt: „Wie soll meine Tochter Michaela ihren Körper lieben, wenn es ihre Mutter nicht kann?“