Die Mehrzahl ist männlich, zielorientiert und erfolgreich. "Oft sind es Unternehmer, die im Berufsleben mit hohem Druck umgehen müssen", sagt Lukas Furtenbach. Sie sind Investmentbanker oder Hirnchirurgen, der Tiroler Unternehmer nennt solche Leute "Highperformer", die ein neues Ziel suchen. Furtenbach verkauft Menschen Berge: Der höchste Berg der Welt ist einer davon.
70.500 Euro kostet das "Rundum-Sorglos-Paket" für die höchste Aussichtsloge der Welt. Wer nicht die üblichen 42 bis 49 Tage in einem fremden Land verbringen will, bucht die "Flash-Expedition": 21 Tage um 99.900 Euro. Dafür akklimatisiert man im Hypoxie-Zelt in den eigenen vier Wänden. Willkommen im Jahr 2023! Der Everest ist dort angekommen, wo das Matterhorn oder der Großglockner längst sind, nur, dass in den heimischen Alpen die Todeszone fehlt – jener Bereich über 8000 Meter, in dem man sich nur kurz aufhalten kann.
"Furtenbach Adventures" hat vor einer Woche all seine Kunden auf den Gipfel und wieder heruntergebracht: 100 Prozent "Success" verspricht der Tiroler, der dreimal auf dem Gipfel stand: "Bei uns bekommt man hier zertifizierte Bergführer" – wie Rupert Hauer (heuer der fünfte Gipfelsieg) oder den Bad Ischler Herbert Wolf (drei Gipfelsiege). Es gibt auch "unlimitierten Sauerstoff", was ein Teil des Erfolges ist: "Im Handschuh der Kunden ist ein Sensor, der die Werte ins Basislager liefert." Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz werden überwacht: "Die Sauerstoffflussrate wird am Mann reguliert."
Kein Berg für die Weltklasse
Der Everest ist schon lange kein Berg für Extremsportler oder Profis mehr. Es ist ein Berg geworden, den man gerne in seiner Biografie haben will: Mit Rob Hall (1961–96) brachten ab 1992 die ersten kommerziellen Expeditionen zahlungswillige Kundinnen und Kunden an den Berg. Bis dahin kam nur die Weltklasse und sicherte sich mit neuen Leistungen oder neuen Routen Eingang in die Ruhmeshalle des Alpinismus.
In der "Bergsteigerklasse" von 1978 wurden gleich mehrere solche Großtaten vollbracht: Es war eine eingeschworene Gruppe, geleitet vom Tiroler Wolfgang Nairz, der mit dem Südtiroler Reinhold Messner und dem Zillertaler Peter Habeler zwei der besten Höhenbergsteiger der Welt an den Everest holte. Außerdem im Team: der legendäre Grazer Nanga-Parbat-Alpinist Hanns Schell, der Grazer Spitzenalpinist Robert Schauer, außerdem die unerschrockenen Ärzte Oswald Oelz und Raimund Margreiter.
"Wir waren damals privilegiert, wir durften allein auf dem Berg sein. Und das mit einer Mannschaft, die in sich geschlossen war", erinnert sich Peter Habeler zurück an jene Tage im April und Mai 1978. Heute sind es viele Hundert Gipfelaspiranten pro Saison. "Mit Reinhold hatte ich damals den besten Partner. Außerdem diese tollen Ärzte, die uns bestärkt haben. Es gab ja genug Unkenrufe, dass wir als Deppen zurückkommen würden."
Das Ziel: Messner und Habeler wollten der Welt zeigen, dass der höchste Berg auch ohne Flaschensauerstoff möglich ist. "Ich hatte damals einen Hänger, weil ich auch gesund zu meiner Familie nach Hause kommen wollte", sagt Habeler, der einen Schlüssel zum Erfolg darin sah, dass sie beim Gipfelversuch kaum Gewicht schleppen musste: "Nur 1,5 Kilo. Wenn jemand mit Sauerstoff geht, kommen schon 15 Kilo zusammen." Die beiden wechselten sich in der Spurarbeit ab: "Wir haben uns wortlos verstanden."
Messner und Habeler waren richtig akklimatisiert, unglaublich leistungsstark, ausgestattet mit großer Berg-Intelligenz, und sie verstanden sich auf die Kunst der Reduktion. Eine solitäre Leistung gelang Messner 1980 auch mit der Solobesteigung des Sagarmatha. Heute wäre das nicht mehr möglich: Das Basecamp auf nepalesischer Seite ist eine Stadt geworden, die im Frühjahr bis zu 1500 Leute beherbergt. "Auf dem Everest darf man ohne Guide nicht mehr unterwegs sein", sagt Furtenbach. Die nepalesischen "Icefall-Doctors" präparieren den Weg durch den Khumbu-Eisbruch und verlegen ein Fixseil, das vom Basecamp auf 5364 Meter (das nördliche Basecamp in China liegt auf 5150 Meter Seehöhe) bis zum Gipfel auf 8848 Meter führt: "Das ist ein Klettersteig", sagt Habeler, der hinzufügt: "Es geht nur ums Geschäft. Was mich schreckt, ist, dass da 100.000 Euro pro Person ausgegeben werden." Derzeit kommen rund 700 Menschen pro Jahr an den Berg (süd- und nordseitig). "Damit sind wir aber noch lange nicht am Limit", sagt Furtenbach.
"Eine Besucherlenkung, wie in anderen Regionen längst üblich, könnte über die Saison (Herbst und Frühjahr) oder die Route erfolgen", erklärt Furtenbach. 30.000 auf dem Everest, wie auf dem Matterhorn oder Mont Blanc? Für Habeler "dumm und töricht", für Furtenbach "grundsätzlich nicht undenkbar". Die Deutsche Billi Bierling, Alpinistin und Chefin der Himalajan Database (eine Sammlung von Daten rund um das Höhenbergsteigen), weiß, wie wichtig der Berg für Nepal ist: "Wenn man bedenkt, dass ein Permit 11.000 Dollar pro Person kostet, ist das schon ein großer Teil des Bruttoinlandsprodukts." 10.000 Menschen leben direkt vom Everest, 100.000 Nepalesen und Nepalesinnen, wenn man den Lodgebetrieb und das Trekking in die Region mitzählt. "Der Everest ist eine Ikone im Alpinismus. Und er gibt uns die Möglichkeit, mehr Bergtouren zu organisieren", sagt Damber Parajuli, Präsident der "Expedition Operators Association" für Nepal. Chomolungma bleibt für viele Menschen ein großes Ziel. Bierling, die selbst auf dem Gipfel stand, glaubt jedoch, dass die Masse Bergtouristen sein werden.
Er bleibt ein Traum
Manche, wie die gestandenen Alpinisten Wilfried und Sylvia Studer, die gemeinsam 65 Sechstausender bestiegen, haben diesem Traum viel geopfert: 380 Tage verbrachten sie auf dem Everest. Im zwölften Anlauf klappte es: Gemeinsam mit Tochter Claudia waren die Vorarlberger die erste Familie auf dem Gipfel. Sylvia und Claudia waren auch die ersten Österreicherinnen, einen Tag vor Weltklassealpinistin Gerlinde Kaltenbrunner, die eine der wenigen Menschen ist, die alle 14 Achttausender bestiegen hat. Die Studers haben ihre Höhenlager auch selbst aufgebaut: "Der Everest ist eine Qual. Von Vergnügen kann man dabei nicht reden."
Wenn man bei Lukas Furtenbach bucht, ist das Zelt aufgebaut, ehe man das nächste Hochlager erreicht, Tee und Essen sind gekocht. Gehen muss man selbst. "Und man braucht eine gehörige Portion Leidensfähigkeit." Für die Weltklasse ist der Everest jedoch tot, doch der "König der Berge" lebt für diejenigen, die ihn sich heute leisten können.
"Wir holten Bergsteiger aus der Todeszone"
Als sie 1978 auf den Mount Everest kamen, war es ein Berg für Extrembergsteiger, heute tummeln sich dort kommerzielle Expeditionen. Kehren die Profis noch einmal zurück?
Robert Schauer: Unter den Gegebenheiten, die heute vorherrschen, nicht. Die Touren und Grate sind bestiegen. Für einen leistungsstarken Alpinisten gibt es die Überschreitung des Lhotse-Everest-Grates, was Ueli Steck ohne Flaschensauerstoff vorhatte und ihn während des Trainings das Leben kostete. Ich glaube, dass es die Extrembergsteiger vielleicht sogar im Winter versuchen werden.
Sie selbst standen am 3. Mai 1978 als erster Österreicher auf dem Everest. Hat das Ihr Leben verändert?
Der Everest ist der höchste Berg, der einen Schub des Bekanntheitsgrades brachte. Ich war schon 1976 mit Hanns Schell auf dem Nanga Parbat. Gemeinsam mit der Besteigung des Gasherbrum I im Jahr davor haben mir diese Gipfel das Grundgerüst für eine Himalaja-Expedition verschafft. Ich ging 1979 mit Reinhold Messner auf den K2, weil ich leistungsstark war und filmen und fotografieren konnte. Man ist aber entweder Bergsteiger oder Kameramann. Das war für mich 1996 und 2004 auch Anreiz, wieder zum Everest zurückzukehren.
1996 kamen acht Menschen auf dem Everest ums Leben, Sie selbst leisteten auf dem Berg Hilfe.
Wir waren mit einer schweren Imax-Kamera auf dem Gipfel und drehten den erfolgreichsten Imax-Film aller Zeiten ("Gipfel ohne Gnade" von David Breashears, Anm.). Man muss ehrlicherweise sagen, wäre nichts passiert, wäre die mediale Wahrnehmung eine andere gewesen. Ich war auch bei der Rettung des texanischen Pathologen Beck Weathers dabei, den wir aus der Todeszone bargen und ins Lager eins brachten, wo mit Hubschrauber erstmals eine Verletztenbergung stattfand. Vielleicht hätten die Medien auch nicht so viel berichtet, wenn nicht Autor John Krakauer, der selbst auf dem Berg war, darüber geschrieben hätte.
Warum die Berge?
In jungen Jahren gab es für mich keine Aussicht, in den Himalaja zu kommen. Ich hatte auch Bronchialasthma, das ich jedoch gut in Griff bekam. Exponierte Stellen, die man beim Klettern erreicht, faszinierten mich, auch der Grad an Risiko. All diese Fähigkeiten, physisch wie psychisch, die ich mir in jungen Jahren erwerben konnte, auch wie man kritische Situationen erfolgreich übersteht, halfen mir bei der Rettungsaktion 1996. Da hieß es: Wie können wir am schnellsten den meisten helfen? Krisenmanagement war immer meine Domäne.