Drogenkonsum, Sexualität, Gewalt, psychische Probleme, gesellschaftlicher Druck – die Welt der gefeierten HBO-Serie „Euphoria“ ist unverblümt und unbarmherzig. Die Handlung, die einer Gruppe Teenagern in der Highschool auf ihrem Weg zur Selbstfindung durch Höhen und (sehr) vielen Tiefen folgt, hat vor allem in der sogenannten Gen Z eine breite Fangemeinde gefunden. In der jungen Generation haben die Charaktere nicht nur Trends in der Mode- und Social-Media-Welt inspiriert, sondern beeinflussen auch in weiterer Folge den Umgang der jungen Zuseher mit immer noch existierenden Tabuthemen.

Nicht nur „Euphoria“ befeuert eine vor wenigen Jahren noch unvorstellbare Offenheit im Hinblick auf die eigene mentale Gesundheit und den Weg der Selbstfindung im Bereich der sexuellen Orientierung und persönlichen Entwicklung. Wer bin ich? Wer will ich sein? Wo gehöre ich hin? Fragen, über die in sozialen Netzwerken sehr offen kommuniziert wird. Auch Produktionen wie „Sex Education“ und „Love, Victor“ nehmen sich Themen an, die, obwohl Fiktion, zahlreiche Verbindungspunkte zur tatsächlichen Lebensrealität von Jugendlichen schaffen.

Stigmen brechen

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Die fiktive Serienwelt bricht Stigmen und weist in überspitzter Weise auf Probleme hin, die trotz der offeneren Gesprächskultur noch immer oft unter den Teppich gekehrt werden. Vor allem in den prägenden Jugendjahren sind starke Seriencharaktere und Menschen, die in den sozialen Medien ihre persönlichen Geschichten teilen, oftmals ein Anker im Selbstfindungsprozess. Eine Orientierungshilfe – mental, aber auch im Ausdruck der eigenen Persönlichkeit mit dem eigenen Stil, der häufig geprägt ist von den Menschen und Einflüssen, denen die Gen Z gerade am meisten Bedeutung zuspricht.

Erst schüchtern, dann selbstbewusst und unverblümt: Kat Hernandez
Erst schüchtern, dann selbstbewusst und unverblümt: Kat Hernandez © imago images/Picturelux

Grundsätzlich als eine sehr positive Entwicklung empfindet die Grazer Kinder- und Jugendpsychologin Petra Pölzl das Ausbrechen aus Stigmen im Fernsehen und auf Social Media, rät allerdings zur Vorsicht. „Durch TikTok und andere Medien sind inzwischen auf einer breiten Ebene viel mehr Informationen zu Themen verfügbar, die die Jugendlichen beschäftigen. Obwohl ich das als positiv empfinde, ist es wichtig, reflektiert mit den Informationen umzugehen, das kann vor allem für junge Menschen in schwierigen Phasen eine Herausforderung sein.“ Verfügbare Informationen zu differenzieren und einzuordnen, sei essenziell, müsse aber auch erlernt werden, sagt Pölzl. „Umso wichtiger wäre, dass die Bezugspersonen den Umgang mit Medien anleiten und Jugendliche unterstützen, das Gesehene auch einzuordnen. Ein Schritt, der ebenfalls Offenheit erfordert.“

Mentale Tiefs sind auch normal

Drogen, zwischenmenschliche Beziehungen und psychische Probleme stehen in der Welt von „Euphoria“ im Vordergrund – und werden zur Charaktereigenschaft der jeweiligen Protagonisten hochstilisiert. Dieser exzentrische Zugang spiegelt sich auch im Kleidungsstil der Charaktere wider, eine Erweiterung ihrer Persönlichkeit. Es ist einer der Faktoren, die die Serie so erfolgreich machen – und trotzdem gefährlich sein können. „Vor allem in der Pubertätskrise erleben Jugendliche immer wieder Phasen, in denen ihre mentale Gesundheit ein Tief erlebt. Vor allem durch die Coronakrise hat sich das in den letzten Jahren noch verstärkt. Allerdings sage ich immer: Nicht jeder, der sich über einen gewissen Zeitraum schlecht fühlt, hat auch gleich eine psychische Erkrankung wie eine Depression“, so die Psychologin.

Serien wie „Euphoria“ und Erfahrungsberichte Betroffener in den sozialen Netzwerken können Unsicherheiten noch verstärken, sagt Pölzl. Umso wichtiger sei es, die Jugendlichen in ihren Unsicherheiten abzuholen. „Es ist wichtig, mit ihnen einzuordnen, was normal ist und was nicht, und klarzustellen, dass jeder Mensch anders ist und anders reagiert. Die überspitzte Welt der Medien kann den psychischen Zustand mancher junger Menschen, wenn unreflektiert, im schlimmsten Fall sogar verschlechtern. Bei länger anhaltenden Zweifeln und Sorgen sollte jedenfalls auch fachlicher Rat eingeholt werden.“

Sexualität und Gefühle

Auch auf den Umgang mit Beziehungen wirken sich die sozialen Medien und populären Serien aus. „Ich erlebe immer wieder, dass Jugendliche sich zwar in ihrer Sexualität positionieren, es ihnen aber schwerfällt, das mit dem dazugehörenden Gefühl zu verbinden. Sexualität und Gefühle sind teils stark entkoppelt und das Bild von Beziehungen ist verzerrt.“ Diesen Link zu schaffen, sei teils wirklich schwierig, so die Psychologin.
„Euphoria“ schlägt mit dem unter die Haut gehenden Plot am Puls der Zeit und weist auf schrille Weise darauf hin, dass Jugendliche aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten zwar alle individuellen Herausforderungen gegenüberstehen und dennoch am Ende nur eines wollen – wissen, wer sie sind.