Wer kennt sie nicht, die berühmte Textzeile: „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“ aus dem Singspiel „Im Weißen Rössl“? Doch momentan hat das Lustigsein dort seine Grenzen. Das böse Wort heißt „Corona“. Gudrun Peter, Chefin des traditionsreichen Hauses, befürchtet ob der aktuellen Ereignisse, dass im Rössl die Hauptsaison bereits gelaufen ist. „Von einem Tag auf den anderen“, sagt sie, „haben wir erlebt, dass die Welt plötzlich ganz anders ausschauen kann. Dabei hatten wir seit Wochen, seit Mai, unser Sicherheitskonzept verschärft. Noch mehr als generell im Bundesland Oberösterreich, wo es die strengsten Regeln gibt.“
Das Weiße Rössl – eine Legende, weit über die Landesgrenzen hinaus. 1912 hatte die seit 1711 ortsansässige Familie Peter das Haus übernommen. Und berühmt wurde es, weltweit, zunächst durch ein Theaterstück, ein „Lustspiel“ von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg, aber dann vor allem durch die musikalische Version, die sogar am Broadway Einzug hielt. Die Berühmtheit, weiß Frau Peter, „hat natürlich immer zwei Seiten, wird zu Fluch und Segen. Manches wird einfacher, manches schwieriger. Das ist halt so, wenn man nicht die graue Maus ist, sondern sich in luftigen Höhen befindet.“ Klar, dass die Frau Wirtin ein lebendes Rössl-Lexikon ist. „Die Vorlage zum Charakter der Wirtin“, erzählt sie, „lebte im zu Bad Ischl gehörenden Lauffen. Die Geschichte mit dem Zahlkellner Leopold hat sich in Ischl zugetragen. Und im Bühnenstück kommt bereits der Dampfersteg vor, bei dem wir uns heute befinden.“
Emil Jannings, Oscar-Preisträger und im Salzkammergut zu Hause, ergriff mit Erik Charell die Initiative, das Stück zu einem Singspiel umzuwandeln. Der musikalische Hauptauftrag ging an Ralph Benatzky, aber einzelne Musiknummern wurden auch an andere, wie Robert Stolz, verteilt. Das Resultat (Premiere: 1930 in Berlin) funktionierte, vor allem nach Zeiten der Wirtschaftskrise, sehr gut und wurde in 32 Sprachen übersetzt. Die erste Verfilmung, mit Christl Mardayn und Hermann Thimig, entstand 1935, aber zum ganz großen Hit entwickelte sich erst die dritte Version aus dem Jahr 1960 mit Waltraut Haas und Peter Alexander.
Gudrun Peter lässt uns hinter die Kulissen blicken: „Aus den Erzählungen meiner Großmutter weiß ich, dass ‚Haasi‘ in unserem Haus intensive Rollenstudien betrieb, sie wollte unbedingt wissen, was die Rössl-Wirtin so macht. Eine Woche lang wurde sie von meiner Oma durchs Haus geführt, dabei entwickelte sich eine starke Freundschaft fürs Leben. Meine Großmutter war am Ende sichtlich Vorbild für die Gestaltung der Rolle, sie musste nach dem Tod ihres Mannes das Haus ganz allein führen, galt als sehr resolut und wurde mit dem Beinamen ‚Feldwebel‘ bedacht.“ Dabei stand es offenbar eine Zeit lang auf des Messers Schneide, ob Haas die Rolle überhaupt spielen würde: „Sie war den Produzenten zu dünn. Eine echte Wirtin sollte ihrer Meinung nach anders ausschauen. Es funktionierte schließlich, weil sie in der berühmten Konditorei Zauner aufgepäppelt wurde.“
Und in noch ein Geheimnis weiht uns die Rössl-Wirtin ein: „Erinnern Sie sich noch an die Szene, in der Peter Alexander als Leopold auf Wasserskiern von einem Hubschrauber mit einem Sonnenschirm hochgezogen wurde. Ich hab mir das oft angeschaut: Da ist ein Ast mit vielen Blättern im Bild, die gab es aber wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit nicht mehr wirklich. Also wurden sie mit Reißnägeln befestigt …“
Über viele Jahre verbrachte bekanntlich auch der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl seinen Sommerurlaub am Wolfgangsee: „Zwar in St. Gilgen, aber zu uns kam er immer zwecks Sauna und Massage. Ich war damals sechs, sieben Jahre alt, und für mich war er der größte Mann, den ich je gesehen hatte, ein Mann, den ich nur mit Handtuch bekleidet kannte. Ich erinnere mich auch an das Polizeiboot mit Security, das dauernd in Nähe unseres Hotels kreiste, und an den Mann mit Gewehr, der Kohl in der Kirche bewachte. Der Kanzler verbrachte ganze Tage im Weißen Rössl und er hat – mit einer Gruppe von anderen Leuten in seinem Fahrwasser – oft auch hier gegessen. Vor allem Kaiserschmarrn hat er geliebt.“
Nicht zu vergessen: Schon 1952 hatte es ebenfalls eine Verfilmung gegeben, mit Johannes „Jopie“ Heesters, Johanna Matz und Walter Müller als Leopold, unter der Regie des großen Willi Forst, und auch diese Fassung war sehr erfolgreich. Klar, so bald nach dem Zweiten Weltkrieg gab es ein großes Bedürfnis nach leichter Unterhaltung.
Ja, und das musste wohl sein: Auch Altmeister Franz Antel hatte sich, 1961, dem Rössl-Thema verschrieben. Aber weil es „weiß“ erst kurz zuvor gegeben hatte, betitelte er sein Opus „Im Schwarzen Rössl“, Karin Dor, Hans von Borsody und Peter Kraus verkörperten die Hauptrollen. Und Waltraut Haas war auch dabei. Zwar nicht als Wirtin, aber als Braut.
Sie heiratete während der Dreharbeiten ihren Erwin Strahl. Verhängnis für Regisseur Antel: Just an jenem Tag fand das Endspiel der Fußball-WM mit dem großen Hit Deutschland – England statt. Die TV-Übertragung wollte sich der „schöne Franz“ nicht entgehen lassen. Also ließ er sich eine List einfallen, ein fingiertes Telegramm der deutschen Nationalmannschaft an die Brautleute in etwa mit dem Text: „Liebes Brautpaar! Herzliche Gratulationen von uns allen, und wir hoffen, dass ihr euch trotzdem das Spiel im Fernsehen nicht entgehen lässt und für uns die Daumen drückt.“ Es funktionierte. Für Antel, nicht für die Deutschen. Die haben damals 2:4 verloren. Unter den Gästen war auch Haas’ Freundin, die echte Rössl-Wirtin.
Die bisher letzte „Weiße Rössl“-Verfilmung entstand 2012, mit Fritz Karl, Edita Malovcic und Gregor Bloeb als schönem Sigismund. „Er hat immer gescherzt“, erzählt Gudrun Peter, „er sei von allen bisherigen Sigismund-Darstellern der wirklich schönste. Und er hat während seiner Drehtage, im Gegensatz zu den anderen Schauspielern, auch im ‚Rössl‘ gewohnt. Denn wenn schon, meinte er, müsse er auch standesgemäß bei uns logieren.“ Im Weißen Rössl hat im Lauf der Jahre auch jede Menge anderer Promis logiert: „Eine ganze Bandbreite aus Politik und Kultur, und wir haben immer dafür gesorgt, dass sie sich wie Superstars fühlen konnten. Alles, was sich während ihres Aufenthalts ereignet haben mag, blieb und bleibt Geheimnis. Denn Diskretion ist bei uns alles.“
Trotz der derzeitigen Situation ist der Frau Chefin für die Zukunft Zuversicht und Hoffnung geblieben. „Wir schaffen das!“, zitiert sie Angela Merkel. Und: „In St. Wolfgang gibt es seit 500 Jahren Tourismus. Und es wird ihn noch weitere 500 Jahre geben!“
Luigi Heinrich