Die Satellitenbilder liefern erschreckende Informationen: So hat das brasilianische Institut für Weltraumforschung (Inpe) errechnet, dass in den ersten drei Monaten des heurigen Jahres die Vernichtung des Amazonas-Regenwalds gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 50 Prozent zu genommen hat. Ähnlich erschreckend fiel die Bilanz bereits Mitte vergangenen Jahres aus: Die im Juni 2019 vernichtete Waldfläche lag um 88 Prozent über dem Vorjahreswert, im Juli gab es gar ein Plus von über 200 Prozent. Für den August meldeten Stellen eine Abholzungsrate von drei Fußballfeldern pro Minute!
Entsprechend düster fiel die Jahresbilanz 2019 aus: Erstmals seit 2009 wurden wieder mehr als 10.000 Quadratkilometer Wald abgeholzt – was der Fläche von Kärnten beziehungsweise Zypern oder von rund einer Million Fußballfeldern entspricht und eine Steigerung gegenüber 2018 von 30 Prozent ergibt. Viele Zahlen, ein Trend: Der Regenwald in Brasilien stirbt. Seit den 1970er-Jahren sind 20 Prozent der Abholzung oder Brandrodung zum Opfer gefallen (eine Fläche doppelt so groß wie Deutschland). Und das allen internationalen Warnrufen zum Trotz.
Im Gegenteil: Seit der rechtskonservative Jair Bolsonaro zum Präsidenten des größten Landes Lateinamerikas gewählt wurde, ist die Ausbeutung der „grünen Lunge“ auch politisch legitimiert. Denn Bolsonaro hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, Amazonien zur wirtschaftlichen Nutzung als Anbaugebiet für Soja oder Ölpalmen beziehungsweise Weideland freizugeben und die Strafen für Verstöße zu reduzieren, was Holzfäller und Goldsucher anlockt und die Abholzung und Brandrodung in geschützten Gebieten befördert. Schon 2019 wurden von Inpe über 70.000 Brände im Amazonasgebiet registriert, ein Plus von 83 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Diese Zerstörungswut hat unmittelbare Auswirkungen auf das weltweite Klima. Denn normalerweise „schlucken“ die Bäume das Kohlendioxid (CO2) aus der Erdatmosphäre und wandeln es durch Fotosynthese in Kohlenstoffverbindungen und Sauerstoff um. Fehlen die Bäume, fehlt dieser Speicher und Treibhausgaspuffer.
Und jetzt auch noch die Corona-Krise. Nicht nur, dass illegale Rodungen wohl lascher kontrolliert werden, auch die Indigenen, die in teils geschützten Reservaten im Wald leben, sind in höchster Gefahr. Denn durch Holzfäller erreicht das Virus auch sie. Präventiv ziehen sich manche noch tiefer in ihre Territorien in freiwillige Isolation zurück. Das kann funktionieren, muss aber nicht. Denn abseits großer Städte sind eventuell benötigte Krankenhäuser noch weiter entfernt.
Klaus Höfler