Da sitze ich. Trinke meinen Earl Grey aus England, den ich stets in Kommunenmengen bunkere, denke mal wieder an mein Bruderherz und meine zwei Neffen in London. Ich, der mit den (zu) feinen Antennen, Du, der Miterfinder des Pragmatismus – aber mit Verstand und Herz am rechten Fleck. Sorgen zeichnet neben ihrer Haltbarkeit ja aus, dass sie über die Entfernung nicht unbedingt kleiner werden. Den Eltern geht es so weit gut – Gott sei Dank! Mutter fragt beharrlich, wie lange Covid-19 noch zu bleiben gedenkt. Das weiß ich natürlich nicht, auch wenn all das seit Ende Jänner meine Arbeit durchdringt. Ich denke viel an all die Lieben in meinem Leben. Mit Freunden trinke ich ab und zu ein Hirter – per Videokonferenz! Seltsam, aber es tut wohl.

Und Du? Zuerst litt dieses sonderbare und wunderbare Königreich an chronischem Brexit – und nun das! Die aktuellen Zahlen sind verheerend. Jetzt streckte es sogar den Prime Minister mit dem bizarren Haupthaar – temporär – aus seinen Schuhen! Dachte mir gerade, dass man das grausliche Wort Virus wie ein doppeltes „wir/us“ ausspricht – zu Recht: Wir alle müssen verdammt aufpassen, um jetzt unbeschadet rauszukommen. „Wird schon!“, gabst du per Skype Durchhalteparolen aus, obwohl du in Deinem Wirtschaftsjob noch mehr als sonst alle Hände voll zu tun hast, um die Dinge zu deichseln. Wie geht es Deinen Pubertierenden im Digitalunterricht? Laufen die Chat-Apps bei ihnen heiß?

Genießt du die Stille, die einkehrte, auch so wie ich? Der Preis dafür ist hoch, aber eine Elisabethstraße (fast) ohne Verkehr, eine auf ein wachsames Standby runtergefahrene Welt tun so gut. Ob es, wenn all das unachtsame Getöse wieder losgeht, einen „Post-Corona“-Schock geben wird? Ob der Mensch, beim Lernen langfristiger Lektionen ziemlich unfähig, endlich nachzudenken beginnt? Weiter global fatal oder reinigende Reduktion – das ist die Frage. Dieser Schuss vor den Bug war eindeutig. Ich setze natürlich auch auf Musik – die hilft ja immer irgendwie: von Lou Reed bis Satie, von Eno bis Air, vom späten Dylan bis zu den mittleren Pink Floyd. Abends dann „Downton Abbey“ oder ein gutes Buch.
Ein lieber Kollege (großartiger Kerl mit Talent und Augenhöhencharakter), schrieb kürzlich einen tief berührenden Nachruf für einen an Corona verstorbenen Verwandten. Falls ich es heute noch nicht erwähnte: Passt gut auf euch auf! Auf ein Wiedersehen auf der geliebten Insel! See you.

Dein Thomas