Das ist schon eine verrückte Zeit. Eigentlich müssten wir uns darüber beschweren, zu wenig Zeit zu haben. Genau die haben wir jetzt, sind aber in unseren vier Wänden und unserem „neuen“ Alltag gefangen. Statt am überladenen Esstisch mit der herrlich duftenden Osterjause zu sitzen, sitze ich jetzt hier und schreibe einen Brief. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich den letzten geschrieben habe. Wobei ich sicher noch nie einen Brief an dich adressiert habe.
Ich vermisse die Zeit, in der wir am elterlichen Küchentisch über Belanglosigkeiten diskutiert haben. Mit einem dampfenden Kaffee in der Hand haben wir hitzige Diskussionen geführt, ohne zu merken, dass wir uns im Kreis drehen und eigentlich dasselbe meinen. Wir haben gestritten, richtig laut, und uns dann ohne Worte wieder vertragen. Das gehört dazu, haben unsere Eltern schon oft gesagt.
So entfernt wir uns in vielen Dingen sind, so nah stehen wir beieinander. Das ist es auch, dass ich so schätze. Wir sind grundehrlich zueinander. Selbst dann, wenn es für Außenstehende harsch und hart erscheint. Wir haben ein offenes Ohr füreinander und versuchen zu helfen, zu fördern, mit guten Tipps parat zu stehen. Auch dann, wenn man gerade absolut keine Lust und kein Verständnis für einen ach so gut gemeinten Rat hat. Ich höre dir zu und du mir. Du bist mein kleiner Bruder, auch wenn du mir in vielen Dingen schon lange über den Kopf gewachsen bist – und das nicht nur, weil du größer bist als ich.
Am Ostertisch wirst du mir fehlen. Da bin ich ehrlich ein bisschen wehmütig. Wehmütig, weil es das erste Osterfest ohne Osterspeisensegnung bei unserer Haus-und-Hof-Kapelle ist. Wehmütig, weil wir uns nicht um das letzte Stück vom Geselchten streiten werden. Und die Frage heuer unbeantwortet bleibt, welches Osterbrot die Nase vorne hat. Wobei, für mich wäre es das süße Osterbrot, während du immer zur dunklen Variante greifst. Wehmütig, weil wir beim traditionellen Eierpecken nicht zu unseren personalisierten Eiern greifen werden.
Aber was bringt das viele Wehmütigsein schon? Ich werde jetzt an einer scharfen Krenwurzel riechen und die Trübsal einfach wegriechen. Vielleicht tust du es mir ja gleich und grinst dann still in dich hinein.
Martina Pachernegg