Rhetorisches Trommelfeuer scheint ihr nicht fremd zu sein. „Airbus wird mich noch kennenlernen“, schoss Klaudia Tanner vor wenigen Tagen in Richtung des internationalen Rüstungskonzerns scharf. Kämpferisch forderte sie „endlich Wahrheit und Klarheit“ und „vollumfassende Kooperation“ in der Causa Eurofighter – einem Fall, der seit Jahren die Justiz, die Politik, das Bundesheer und involvierte Unternehmen beschäftigt. Und Tanner ließ nicht locker. Auch eine Rückabwicklung der mit 1,8 Milliarden Euro größten Beschaffungsaktion der Zweiten Republik sei „eine Option“.
Von Verteidigung war da von Österreichs erster Verteidigungsministerin wenig zu hören. Auch wenn die Angriffe etwas von Silvesterraketen hatten: laut, hell – aber sonst? Airbus ließ einen schon akkordierten Gesprächstermin per E-Mail platzen. Ihr Geduldsfaden sei nun gerissen, polterte Tanner und drohte mit Klage. Die schroffe Wortwahl, der düstere Blick, das nach vorne gestreckte Kinn, die reduzierte, aber akkurate Gestik, der entschlossene Schritt. In ihrem ganzen Auftreten erinnert die 49-Jährige an andere Absolventen der politischen Schule, aus der sie kommt: Niederösterreich. Man sieht Tanner und hört Johanna Mikl-Leitner, Erwin Pröll, Wolfgang Sobotka, mit Abstrichen auch Ernst Strasser.
Bei Letzterem schnupperte Tanner erstmals Ministeriumsluft. Im Kabinett des damaligen Innenministers Strasser ist sie zwischen 2001 und 2003 für die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit zuständig. Ein steiler Aufstieg der jungen Juristin. Aufgewachsen ist Tanner am elterlichen Bauernhof im Bezirk Scheibbs, wo man sich auch der Imkerei widmet. Die Tochter half nicht nur am Hof mit, sondern ging nebenbei einer klassischen Bildungskarriere nach. Der AHS-Matura folgten Jus-Studium, Gerichtsjahr und ein erster Kontakt mit dem Bauernbund als Rechts- und Sozialreferentin. Nicht unübliche berufliche Treppen, wenn die Karriereleiter im tiefschwarzen Niederösterreich verwurzelt ist. Auch der nächste Schritt – in ein Ministerium in Wien – wirkt wie eine Blaupause aus dem bewährten Talenteentwicklungsprogramm der niederösterreichischen Volkspartei. Dessen von Erwin Pröll zur Meisterschaft hochgedrechseltes Kernziel: Machterhalt und -ausbau, Netzwerkverdichtung und -vergrößerung, egal wer in der Bundespartei gerade glaubt, die Zügel in der Hand zu haben, oder im Kanzleramt das Zepter schwingt.
Häufig dient dieses berufliche Aufstiegsmodell auch dem Sprung in die (mitunter nicht allzu parteiferne) Privatwirtschaft. So auch bei Tanner. Sie wechselt zu Kapsch, wo sie als Direktorin unter anderem für „Beziehungsmanagement zu Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft“ verantwortlich ist. Bei Tanner selbst führt dieses Beziehungsmanagement nach acht Jahren zurück in den Bauernbund.
2011 wird sie dort Direktorin – als erste Frau in dieser Spitzenfunktion. Nebenbei ist sie auch als Gemeinderätin in ihrem Wohnort Gresten aktiv. Nach der vergangenen Landtagswahl 2018 geht es ein politisches Stockwerk höher. Tanner zieht in den niederösterreichischen Landtag ein. Schon ein Jahr davor war die Vertraute von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zur stellvertretenden Vorsitzenden der niederösterreichischen Volkspartei gewählt worden.
Dass der Job schon damals nicht unbedingt familienfreundlich war, gestand die Ministerin in einem Interview durchaus ein: „Spielerisch einfach ist das nicht. Wer das behauptet, der sagt nicht die ganze Wahrheit.“ Entspannter dürfte es nicht geworden sein, seit sie von Bundeskanzler Sebastian Kurz als erste Frau an die Spitze des Verteidigungsministeriums – „mein Wunschressort“ (Tanner) – gesetzt wurde. Bleibt dennoch Zeit, gibt sich die verheiratete Mutter einer Tochter und nach eigenem Bekunden Schnitzel-Liebhaberin gerne sportlichen Freuden hin: Skifahren und Schwimmen führt Tanner ebenso als Hobbys an wie Tanzen.
Mit Abfangjägern, Tauglichkeitsstufen oder militärischen Dienstgraden hatte Tanner bisher nicht viel Kontakt. Im Landtag befasste sie sich schwerpunktmäßig mit Themen wie Kultur, Verfassung und Gesundheit. Dennoch galt sie schon 2017 als Anwärterin auf ein Ministeramt (Inneres und Verteidigung). Geschadet haben wird wohl auch nicht, dass Tanner mit Kanzlerberater Stefan Steiner verschwägert ist.
Statt Bauernbund jetzt also Bundesheer, statt Saatgut Soldaten, statt Förderungen Forderungen. Wie beispielsweise an Airbus. Widerstand und Widerspruch ist da vorprogrammiert. „Wenn etwas ganz schwierig ist, braucht es manchmal eine Frau“, hat sie in einem ihrer Antrittsinterviews ihre Ernennung selbstbewusst kommentiert. Und dabei nicht vergessen, auf ihre Ecken und Kanten, für die sie bekannt sei, hinzuweisen. „Hart, aber herzlich“, fiel ihr als lieblichere Selbstbeschreibung ein. Ob das Erfolgsrezept beim niederösterreichischen Ackeradel auch die französische Airbus-Advokatur beeindruckt, bleibt abzuwarten.
Klaus Höfler