Im Garten wird aufgerüstet wie nie zuvor: Alle fünf Sekunden verkauft eBay einen Artikel für Garten oder Terrasse, von der Gießkanne bis zur Teichpumpe, das Geschäft mit der Gartenlust sprießt. Die neue Hochkonjunktur in den grünen Oasen beschert dem Handel blühende Umsätze. Mit viel Aufwand werden Gärten gepflegt, ob der handtuchgroße hinter dem Vorstadthaus, der weitläufige auf dem Land oder der Dschungelbalkon in der Metropole. Das Wohnzimmer im Grünen ist voll im Trend, das sogenannte „Cocooning im Freien“, weniger neudeutsch Bewegte sprechen vom „neuen Biedermeier im Grünen“, greift um sich.
Die junge Generation schlägt voll in diese Richtung ein: Es wird gegartelt, was das Zeug hält, auf Dächern, Brachflächen, Balkonen und Terrassen. Selbst in der „Gated Community“, unsereins besser bekannt unter Schrebergarten, ist Aufbruch und Bewegung angesagt. Einst der Inbegriff für Spießigkeit, mausern sich diese Kleingartenanlagen nun zum begehrten Objekt von modernen Jungfamilien, die Warteliste für die Parzellen wird immer länger.
Im Jahr 2015 belegte eine heimische Studie, dass für 50 Prozent aller Gartenbesitzer ihr Refugium vor allem ein Ort der Entspannung ist. Aus dem einst lästigen Übel Gartenarbeit wurde eine mit Hingebung betriebene Freizeitbeschäftigung. Damit liegt man auf einer Wellenlänge mit Schriftsteller Hermann Hesse, der um 1908 am Bodensee notierte: „Im Übrigen bin ich, nicht ungern, der Sklave meines Gartens. Es macht mich sehr müd und ist etwas zu viel, aber mitten in alledem, was die Menschen heut tun, fühlen, denken und schwatzen, ist es das Klügste und Wohltuendste, was man tun kann.“ Und Virgilio und Matteo Vercelloni sekundieren in ihrer „Geschichte der Gartenkultur“: „Man möchte sich mit einem Stück Erde verbinden, auf dem man pflanzt, sich hingibt, indem man in der Erde wühlt, bis der Kopf frei wird und der Rücken schmerzt. Aber man möchte sich auch aufrichten und sehen, dass man etwas gestaltet hat.“
Ob grüner Hinterhof oder schmaler Vorstadtgarten, zwischen Lavendel, Rosen und Kräutern kann allerorten ein kleines Eden entstehen. „Jeder möchte in Erinnerung an das verlorene Paradies sich irgendeinen Ersatz erschaffen“, merkte Schriftsteller Clemens Brentano zu Beginn des 19. Jahrhunderts an. Für Francis Bacon, dem englischen Philosophen und Staatsmann, war ohnehin Gott der erste Gärtner, er legte schließlich den Garten Eden an.
Den Namensgeber für das Paradies finden wir im altpersischen Begriff für Garten: „paradaidha“. Erstaunlich, dass sich die Grundideen und Gestaltungselemente seit der Zeit der Persischen Gärten vor mehr als 2500 Jahren bis heute gehalten haben. Freilich, die Römer pausten begeistert ab und sorgten dafür, dass die Überlieferungskette nicht abbrach.
Das nunmehrige grüne Paradies war einst auch Überlebensfrage. Karl der Große revolutionierte um das Jahr 800 die Klostergärten und legte damit den Grundstock für die bäuerlichen Anlagen. Nicht zu vergessen die Kleingärten, die in den beiden Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts Not und Nahrungsmittelknappheit lindern halfen.
Jede Kultur, jede Gesellschaft hat ihre eigene, individuelle Gartenkultur, die auch der Machtdemonstration dienen kann, für den Besitzer ebenso wie für den Sieg über die ungezähmte Natur. Gewaltige, streng geometrische Anlagen mit pompösen Wasserflächen und akkurat beschnittenen Pflanzenwänden – so zeigen sich die barocken Gärten. Ihre Zeit war abgelaufen, als der Englische Landschaftsgarten seinen Siegeszug antrat. Ein neues Naturverständnis riss die Barrieren nieder und entließ die Gärten in die Unendlichkeit der Landschaft.
Gerade dieser Gartentypus hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren. Heerscharen von Gartenenthusiasten pilgern alljährlich nach England. Heuer gibt es als Draufgabe einen Geistergarten: Die herrschende Trockenheit hat in der englischen Grafschaft Lancashire im dürren Rasen die deutlichen Umrisse eines viktorianischen Gartens erstehen lassen. Zumindest bis zum Regen ist das Mirakel zu bewundern. Übrigens, wenn es weltweit um die eifrigsten Gärtnerinnen und Gärtner geht, haben die Australier die Nase vorn, gefolgt von China und Mexiko. England, die vermeintliche Gartennation, findet sich nicht einmal unter den ersten fünf.
Mittlerweile ist die gesundheitsfördernde und wohltuende Wirkung der Gärten auch mit einer Studie belegt. Dass die grünen Paradiese dem Kopf und der Psyche guttun, wissen wir ohnehin.
Helena Wallner