Es schaut verdächtig nach Fasching aus, wenn erwachsene Menschen als Hexen und Teufel verkleidet um ein Feuer hopsen. Was doch ein paar Jahrhunderte Menschheitsgeschichte ausmachen: Heute ein touristisches Freudenfeuer, sechs Jahrhunderte früher und wir hätten hier ein astreines Todesurteil.
Wenn jedes Jahr in der Nacht zum ersten Mai bis zu 30.000 Menschen am Brocken im deutschen Harz ihre Walpurgisnacht feiern – auch in Anlehnung an Goethes „Walpurgisnacht“ in „Faust I“ –, steht das Leben im Vordergrund, nicht der Tod. Es geht um Rausch und Euphorie, und wenn das mit dem fliegenden Besen schon nicht klappt, dann zumindest mit der Lebenslust. Und geht es nicht auch darum, dieser aufgeklärten Welt, die mittlerweile so ganz ohne Geheimnisse daherkommt, zu entfliehen?


Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass sich die Welt wie ein verkehrter Spiegel zur heutigen verhalten hat: das Leben, ein täglicher Kampf ums Überleben. Bildung und Wissenschaft so fremd und fern wie das heliozentrische Weltbild. Nicht nur dieses fehlende Licht machte Europa zu einem dunklen Ort. Es hätte sich Hollywood nicht schlimmer ausdenken können: Zwischen 1450 und 1700 wurden in Europa bis zu 60.000 Menschen, zum größten Teil Frauen, als Hexen gebrandmarkt, gefoltert, verurteilt und ermordet. „Der Hexenwahn ist immer in Krisenzeiten ausgebrochen – wenn die Leute beschwichtigt oder diszipliniert werden sollten“, umreißt Buchautor Clemens M. Hutter („Hexenwahn und Aberglaube“) die Grundlage für die Hexenverfolgungen in Europa.

Die kleine Eiszeit als Grundsubstrat

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Es braucht also eine Krise und die bahnte sich ab etwa 1430 mit der sogenannten kleinen Eiszeit an. Die Folgen: anhaltende Kälte und massive Schlechtwetterperioden. Die Felder unfruchtbar, steigende Lebenserhaltungskosten, Krankheiten. Die Hungersnot war ein Dauergast und das Einzige mit Wachstumspotenzial der Unmut.
Was in diesem Milieu heranreifen konnte, ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal dieser Zeit, es ist die Konstruktion einer altbewährten Krisenstrategie einer völlig überforderten Gesellschaft: den Schwachen zum Sündenbock zu machen, um die Lage zu beruhigen. Eine Blaupause, die sich durch die Menschheitsgeschichte zieht. Im Fall der Hexenverfolgungen war das Motto „Wer nichts weiß, muss alles glauben“ der rote Faden. Die Erklärung zunächst für die Missernten, später dann auch für Unglücke aller Art: „Hexen und Zauberer stecken dahinter, um im Auftrag des Teufels das christliche Abendland zu zerstören“, so Hutter.

Drei Hexen spielen bei Macbeth eine entscheidende Rolle
Drei Hexen spielen bei Macbeth eine entscheidende Rolle © APA


Das nötige Werkzeug: der Schadzauber. Mit Magie dem Menschen in jeder nur erdenklichen Art zu schaden. Man geht einen Pakt mit dem Teufel ein, der alljährlich in der Walpurgisnacht erneuert wird. Die Beruhigungstablette für die aufgewühlte Bevölkerung war fast komplett, blieb nur noch der Sündenbock selbst und der war schnell gefunden. Bis heute hat sich dieses klassische Bild von der Hexe gehalten, das Hutter skizziert: „Eine alte Frau, vielleicht noch Witwe, zahnlos, ungewaschen, wohnt in einer scheußlichen Keusche. Das sind die Ausgestoßenen, die niemand mehr schützt. Und denen kann man jetzt natürlich alles unterstellen.“
Es folgt ein Flächenbrand, der immer weiter angefacht wird, nicht zuletzt durch eine unheilige Allianz: Die Suche nach Ketzern erweiterte das Feld der Inquisition – wer mit dem Teufel im Bunde ist, ist vom Glauben abgefallen und somit Fall für die Inquisition. Doch wie Dinge beweisen, die sich nicht beweisen lassen? Das Zauberwort heißt Folter.

Der Höhepunkt des Wahnsinns ist die verschriftlichte Gebrauchsanleitung und Legitimation für den Hexenprozess: der „Hexenhammer“. 1486 vom Inquisitor und Dominikaner Heinrich Kramer geschrieben, ist das Werk bis ins 17. Jahrhundert in 29 Auflagen erschienen. Ein menschenverachtendes Kompendium, an dessen Ende immer der Scheiterhaufen steht: „Also schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt, auch schneller dem Glauben abschwört, was die Grundlage von Hexerei ist.“

Abrechnung mit dem weiblichen Geschlecht

Die Hexenverfolgung ist nicht zuletzt auch eine Abrechnung mit dem weiblichen Geschlecht, wie Clemens M. Hutter betont: „Es geht hier auch um die Missachtung der Frau und eine Herunterstufung unter den Mann.“ Die Hexenverfolgung ist auch Projektionsfläche für Wünsche und Begierden, die im engen, gesellschaftlichen Korsett dieser Zeit verteufelt werden – wie etwa die Sexualität der Frau.
In Österreich hat ausgerechnet eine Frau den Hexenprozessen einen Riegel vorgeschoben: Maria Theresia setzte ab 1740 für die habsburgischen Länder ein Verbot durch. Das klingt hierzulande nach alter Geschichte, in einigen Regionen dieser Welt, darunter Afrika und Indien, werden noch heute Menschen der Hexerei bezichtigt und nicht selten bestialisch ermordet. Ein dunkles Kapitel ist längst nicht abgeschlossen.