Bis zum Öffnen der Werkstatttür ist es eine beeindruckende Werkschau der eigenen Stresshormone - zumindest für jemanden, der mit dem Krampus von Kind an auf Kriegsfuß steht. Was soll man auch anderes erwarten, wenn man sich beim Krampus zu Besuch angekündigt hat?

Die Tür geht auf, ein erster positiver Eindruck: Man wird nicht von einem Orks-Heer überrannt. Das ist schon einmal ein ziemlich guter Anfang. Der Hausherr, groß, roter Pullover, sehr zuvorkommend, ist maximal Krampusbotschafter - aber einer mit sehr viel Mitspracherecht: Christian Lipp ist nämlich des Krampus Maskenschnitzer. Was vor knapp 15 Jahren mit einem Stück Holz und zwei Schnitzmessern begonnen hat, ist mittlerweile mehr als nur Leidenschaft, nämlich ein Vollzeitberuf.

Und die Flammen, die lodern immer noch, auch wenn das Höllenfeuer kein guter Arbeitspartner ist, denn Lipps Werk beginnt mit einem Stück Holz. Zirbenholz, unbehandelt, am Ende wird eine Maske vor ihm liegen, die dem Menschen eine ganze Palette an Emotionen abringt - alles zwischen Furcht, Nervosität und totalem Unbehagen. Es ist eine Kunst für sich, die Lipp beherrscht, nämlich das Schöne im Hässlichen zu sehen, wo es doch der Mensch vorzieht, lieber das Hässliche im Schönen zu sehen.

Christian Lipp - dahinter seine neuesten Masken
Christian Lipp - dahinter seine neuesten Masken © Jürgen Fuchs / Kleine Zeitung
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Aber auch das Hässliche muss im Rahmen bleiben. Das Stück Holz braucht seine Proportionen: „Allein beim Mund ist es im Vorfeld wichtig zu wissen, ob es ein schreiender oder ein geschlossener Mund wird, weil die Kinnpartie ganz anders gesetzt wird und sich das in Folge auch auf die Aufteilung im Nasenbereich auswirkt“, skizziert der 34-jährige Steirer die Anatomie des Bösen.

Die Inspiration kommt in der Diskussion und Erarbeitung mit den Auftraggebern, ganze Krampusgruppen - von Bayern bis Italien. Die treffen sich bei ihm in einem separaten Raum an einem sehr großen runden Tisch, Anmutung Tafelrunde. Wobei sich Christian Lipp zwar für Mythen, J. R. R. Tolkien und „Game of Thrones“ interessiert, aber diese Stile nicht zwingend in seine Arbeit einfließen müssen: „Die Orks sind nicht mein Metier“, so Lipp, der die wahre Herausforderung nicht in der Hässlichkeit der Maske sieht, im Gegenteil: „Mir gefallen menschliche Masken am besten, weil sie so real wirken. Und das ist für mich eher eine Kunst, als eine Maske furchteinflößend aussehen zu lassen.“ Viel Arbeit machen beide.

Alles eine Frage des Details

Eineinhalb Arbeitstage braucht eine Maske vom Holzblock bis zum fertigen Stück, dazwischen wird geschnitzt, mit Acryl bemalt, sogar die Augen gießt er selbst, zumeist auch die Hörner - sofern nicht echte Ziegenbockhörner zum Einsatz kommen. Die bestimmen auch den weiteren Preis, die Grundmaske selbst kostet rund 490 Euro. „Früher waren die Masken bei Weitem nicht so detailreich“, zieht er erklärend die geschnitzten Linien mit dem Finger nach. Leichte Wehmut? Nein, „denn das Brauchtum geht mit der Zeit“. Das spürt er nicht nur als Maskenschnitzer, sondern auch als Krampus, der er als Teil der Gruppe „Harter Devils“ ist. Auch wenn immer mehr Vorschriften das wilde Treiben am 5. Dezember - und meist beginnt es schon viel früher - einschränken. Kettenrasseln gegen einschränkende Metallbarrieren sind nicht des Bösen Freud.

Dafür ist es etwas anderes - die wahre Magie der Maske, die sich entfaltet, wenn der Mensch sie trägt. Das weiß auch Christian Lipp: „Man schlüpft in eine andere Persönlichkeit, schaltet den Kopf komplett aus. Es ist fast so, als hättest du ein Fußballspiel gespielt und gewonnen, da ist Adrenalin dabei. Setzt du die Maske ab, dann ist es vorbei.“ Somit gilt auch weiterhin der gute alte Krampuskarten-Spruch: „Falls du denkst, der Krampus wär ein netter Mann mit Bart, bist du ernsthaft in Gefahr.“ Lauf! Jetzt! Los!