Einen Machtkampf mit dem Kind verlieren Vater oder Mutter immer“, sagt Philip Streit und schmunzelt. Unsere Kinder kennen unsere Schwach- bzw. Triggerpunkte genau, zur Not bohren sie auch genau dort hinein, wenn sie das Gefühl haben, sich wehren zu wollen oder zu müssen. „Ein Machtkampf gegen das Kind führt nicht selten dazu, dass die Eltern-Kind-Beziehung schwierig wird. „Und das will niemand“, erklärt der Psychologe und Psychotherapeut.
Auch „Wenn-dann-Sätze“ seien höchst problematisch und führen selten zu etwas Gutem. Das sei bei Vater, Mutter, Kind nicht anders als bei Paar-Beziehungen. Sobald jemand mit Sätzen wie „Wenn du das machst, dann...“ komme, gehe die andere Person zwangsläufig auf Distanz und sehr oft auf Abwehr. „Das gilt im Übrigen auch im Arbeitsleben, das sollten sich auch Führungspersönlichkeiten immer wieder vor Augen führen“, erläutert der Experte.
„Der Schlüssel zu gelingenden Beziehungen ist die Resonanz. Im Grunde ist Resonanz das Tor zur Welt“, erklärt uns Philip Streit, der zu diesem Thema nächstes Wochenende zu einem internationalen Kongress lädt (siehe Information), bei dem auch die führende Wissenschafterin der Resonanzforschung, die Amerikanerin Barbara Fredrickson sowie Neurowissenschafter Joachim Bauer referieren werden.
Fredrickson ist unter anderem bekannt für ihre „Broaden und Build“-Theorie, die besagt, dass positive Stimmungen und Einstellungen nicht nur den Horizont erweitern (broaden), sondern auch eine solide Basis darstellen, auf die gut aufgebaut werden kann (build). Fredrickson ist eine Vertreterin der sogenannten Positiven Psychologie (© Martin Seligman), die sich mit Stärken ebenso befasst wie mit Schwächen und zudem Interventionen entwickelt, um mit Positivität das Wohlbefinden zu steigern – und nicht nur das Leiden zu lindern.
Fredricksons Theorie: „Menschen, die positiv denken, sind in der Lage, eine breitere Perspektive beizubehalten und das große Ganze zu sehen, was ihnen hilft, Lösungen zu finden, während negativ denkende Menschen eine engere Perspektive beibehalten und sich eher auf Probleme konzentrieren.“ Ein wichtiger Baustein ist dabei die Kraft der Resonanz.
Resonanz (vom Lateinischen „resonare“, widerhallen, mitschwingen) schaffe letztlich Verbindungen und sei das Bindeglied, das „Konkurrenz überwindet und gemeinsames Wachstum fördert“, erklärt Philip Streit. „Resonanz ist wie miteinander schaukeln. Einer stupst den anderen an und umgekehrt und gemeinsames Schwingen entsteht“, sagt er. In der Psychologie bedeutet Resonanz also ein einfühlsames Mitschwingen mit anderen Menschen. Dabei seien Wohlwollen und Wertschätzung Alpha und Omega für eine gelingende Beziehung. Eines der einfachsten Resonanzphänomene ist das Lächeln.
Dass sich die Großwetterlage in der Welt derzeit zunehmend in ein Gut/Böse-Denken ausdrückt und Resonanz keine Bedeutung zu haben scheint, helfe niemandem weiter und werde auch nicht zu friedlicheren Zeiten führen, ist der Psychologe und Psychotherapeut überzeugt. Eine Strategie von Menschen und Politikern, auf die Angst in unsicheren Zeiten zu reagieren, sei aggressives Verhalten, das sei während der Covid-Pandemie deutlich geworden.
Für Philip Streit wäre es allerdings „weit hilfreicher für alle, diese enorme Energie, die bei Angst entwickelt wird, in kooperatives Miteinander zu legen“. Möglich wäre das, denn die Forschung habe mittlerweile hinlänglich bewiesen, „dass der Mensch grundsätzlich ein kooperatives Wesen ist. Sonst hätte er nicht überlebt.“