Am Anfang ist ein 20 Zentimeter langes, fünf Zentimeter breites Stück Böhler-Stahl, am Ende ein wunderschönes und sehr scharfes Küchenmesser mit einem Griff aus Olivenholz - vom Schmieden übers Härten bis zum Schleifen und Schärfen alles selbst gemacht.

Dazwischen liegen 10 Stunden mühevolle Handarbeit in der Schmiede von Wolfgang Winkler-Hermaden in Gutendorf bei Kapfenstein in der Oststeiermark, umgeben von Amboss, Esse, Schmiedezange, Hammer, Härteofen, Schleifmaschine, Hobelbank und Schmirgelpapier. Es riecht nach Eisen und Stahl, nach Öl und Fett und nach Holz, denn hinter dem Haus sind gerade die Waldarbeiter am Werk.

Nach einem eintägigen Messerschmiede-Kurs mit dem 29-jährigen Experten weiß ich nicht nur, dass man 1100 bis 1200 Grad zum Schmieden braucht und rund 850 Grad zum Härten, sondern auch, was es tatsächlich mit der Redewendung auf sich hat, dass man das Eisen schmieden muss, solange es heiß ist: Es dauert nämlich keine 30 Sekunden, dass der rot-gelb glühende Rohling aus Stahl auskühlt, wenn man ihn mit der einen behandschuhten Hand mit der Schmiedezange aus dem Gasofen auf den Amboss legt und festhält, und mit der anderen Hand mit dem Hammer zu einer Messerform klopft. Und zwar zack-zack. Potschasne läuft hier gar nix.

Als Schmied erspart man sich sämtliche Fitness-Studios und Laufrunden. Wolfgang hilft mir zwischendurch beim Hämmern weiter, meine Muckis halten nicht ganz mit. Dutzende Male müssen Schmieden und Hämmern wiederholt werden, zum Schluss kommt auch noch der große Lufthammer zum Einsatz, der mit einem Fußpedal betrieben wird, bis der Stahl nicht nur die Form eines Messers hat, sondern auch plan aufliegt. Danach kommt das gute Stück für mehr als eine Stunde in den Härteofen. Und auch wenn man dann schon müde ist, geht‘s erst richtig los, schließlich lautet die Zeit-Formel fürs Messermachen: ein Drittel schmieden, ein Drittel schleifen, ein Drittel Griff.

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Beim Schleifen geht besonders oft etwas daneben: Die Maschinen laufen auf Hochtouren, der Stahl erhitzt sich dabei und muss regelmäßig ins kalte Wasserbad eingetaucht werden, sonst ist blitzschnell eine Kante drin.

Wolfgang hat eine eigene „Schublade der Schande“ in seiner Schmiede, die eindrucksvoll vor Augen führt, wie leicht etwas beim Messerschmieden schief gehen kann und man am Ende eines anstrengenden Arbeitstages zwar mit schwieligen schwarzen Händen, aber trotzdem ohne Schneid‘ dasteht.

Hat man die Schleifprozedur aber endlich geschafft, bei der es zwischendurch Funken sprüht wie zu Weihnachten bei zehn gleichzeitig angezündeten Sternspritzern, geht es mit dem Griff in Richtung Finale. Zur Auswahl stehen Hölzer von Nuss bis Mooreiche, von Fassdauben bis Olive. Als Griechenland-Fan wähle ich Letzteres, zumal die Maserung einzigartig ist.

Sind die zwei Teile des Griffs mit der Stichsäge erst einmal zugeschnitten, wird der Messergriff zwischen die Teile gelegt, vernietet, verleimt. Und danach heißt es wieder: schleifen. Zuerst maschinell, schließlich müssen auch die Nieten abgeflacht werden. Danach geht es wieder händisch weiter, mit Schleifpapier. Erst grob, zuletzt ganz fein. Den letzten Schliff gibt‘s händisch am Schleifstein, und am Ende wird das Messer von der Klinge bis zum Griff eingeölt und abgewischt.

Seit einem Jahr bietet Wolfgang Winkler-Hermaden, der auch im elterlichen Weingut mithilft, seine Messerschmiedekurse an. Die legendären Damaszener-Messer - für viele die Königsklasse der Messer, für die mehrere Lagen Stahl übereinander geschmiedet werden - benötigen zweitägige Kurse. Seit seinem 12. Lebensjahr schmiedet der Oststeirer, das Handwerk hat er sich autodidakt beigebracht. Schon mit 18 Jahren hat er sich als Schmied selbstständig gemacht. Die Schmiede hat er in seinem alten sanft sanierten Bauernhaus untergebracht, in dem er mit seinen zwei Hunden Balda und Hilda wohnt, in einem Vierkanter unweit des heimatlichen Schlosses Kapfenstein.

1000 bis 2000 Messer wird er in seinem Leben schon geschmiedet haben, sagt er, Koch- und Jagdmesser. Der 29-Jährige nimmt auch größere Aufträge an, zuletzt orderte der Gastronom, Politiker und Unternehmer Sepp Schellhorn bei ihm. Selbstverständlich habe er sich auch einmal ein Schwert geschmiedet, erzählt er lachend. In seiner Schmiede steht auch ein Ritterhelm: „Zur Gaude, der ist nur aus Plastik.“

Früher gab es in jedem Dorf einen Schmied, heute ist Wolfgang Winkler-Hermaden fast allein auf weiter Flur. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass er so leidenschaftlich mit Feuer, Glut und heißen Eisen arbeitet, ist doch der Kapfensteiner Kogel ein imposanter erloschener Vulkan.

Ich selbst bin jetzt übrigens eine Expertin, was die Körnung von Schmirgelpapier betrifft. „Gib‘ mir bitte das 120er, nein, besser das 240er.“ Beim Schleifen macht mir keiner mehr was vor. Die eingerissenen Fingernägel und abgeschmirgelten Fingerkuppen erinnern mich auch tags darauf daran. Das schöne Messer auch.

Die Hände sprechen Bände.
Die Hände sprechen Bände. © Winkler-Hermaden/Marco Stix
Heißes Eisen
Heißes Eisen © Winkler-Hermaden/Marco Stix
Schärfen
Schärfen © Winkler-Hermaden/Marco Stix
Hämmern
Hämmern © Winkler-Hermaden/Marco Stix
Und weiter hämmern
Und weiter hämmern © Winkler-Hermaden/Marco Stix
Kochmesser
Kochmesser © Winkler-Hermaden
1200 Grad hat es in der Gasesse
1200 Grad hat es in der Gasesse © Manuela Tschida-Swoboda