Ein Freibad gibt‘s noch immer nicht in Stinatz, wie Thomas Stipsits schon vor Jahren in einem Song forderte. Der Altbürgermeister habe eine deutliche Erklärung für den Nicht-Bau im 1250-Einwohner-Ort gehabt: „Wer wird sich dort baden?“
Auf der Ortstafel steht der Name auf Deutsch und auf Kroatisch: „Stinatz/Stinjaki“. Vor rund 500 Jahren, im Zuge der Türkenkriege, siedelten sich hier Kroaten an. Vielleicht mit ein Grund, dass Flüchtlinge heute nicht so ein problematisches Thema sind wie anderswo. 54 Prozent der Einwohner bekannten sich bei der letzten Volkszählung zur Volksgruppe der Burgenland-Kroaten.
Gleich am Anfang des Orts gibt es ein Kaffeestüberl, das montags bis samstags von sechs bis 12 Uhr geöffnet hat und „ofenfrisches Gebäck und Waren des täglichen Bedarfs“ verkauft. Bürgermeister Andreas Grandits ist von der ÖVP, bei der jüngsten Nationalratswahl war Stinatz aber eine der letzten Bastionen in Österreich, wo die SPÖ (mit knapp 48 Prozent) stimmenstärkste Partei wurde.
Ein Gesicht fällt auf
Ein blauer Traktor fährt aus einem der typischen großen Holztore, irgendwo kräht ein Hahn, die wenigen Bewohner, die um die Mittagszeit im Straßendorf unterwegs sind, grüßen die Fremden und fragen freundlich, ob sie helfen können. In Stinatz kennt jeder jeden, es ist die Region der -its: Grandits, Stipsits, Resetarits, Stoisits. Ein neues Gesicht fällt auf.
Stinatz ist aber auch ein Hort der Thujen. „Thujen, Zaun und Waschbetonplatten“, erklärte Thomas Stipsits in einem seiner Kabarettprogramme, seien in Stinatz die „Dreifaltigkeit des Wohlstands“ und gehörten zum Ortsbild wie Kreisverkehr, Apotheke und Post.
Zuletzt war der Autor, Kabarettist und Schauspieler sehr viel in Stinatz, denn bis vor wenigen Tagen wurde dort die „Uhudler Verschwörung“ verfilmt, sein zweiter Kriminalroman. Der 41-Jährige schlüpfte dabei erneut in die Rolle seines schrulligen Inspektors „Schiffi“ Sifkovits.
„Allerheiligen Fiasko“ ist der vierte Band der Stinatz-Krimi-Reihe
Nächste Woche erscheint schon Band vier seiner Stinatz-Krimi-Reihe, das „Allerheiligen Fiasko“. Darin beschreibt er, dass der Stinatzer Dialekt so eigen ist, weil die meisten zuerst auf Kroatisch denken und erst dann ins Deutsche übersetzen: „ Manche Worte wurden daher anders ausgesprochen, zum Beispiel: Blumen. Man sprach dieses Wort aus, als würde man Blumen mit hartem P schreiben: PLUMEN. ,Pitte pring ma Plumen mit.‘ Die wichtigste Regel war allerdings das fehlende H am Wortanfang. Man sagte nicht: ,Schau, da kommt die Herta‘, man sagte: ,Schau. Erta gumt‘. Und Erta ist die Frau vo Errmann.“
Das Covermodel auf dem Buchdeckel ist wie immer Oma Stipsits. Als wir die 85-Jährige und ihren berühmten Enkelsohn in Stinatz treffen, sitzt sie vor ihrem Haus auf dem Bankerl. Das Deckerl drauf hat die Farben des Burgenlands, rot und gold. Daneben hat sie Hund Brian, benannt nach Brian May, dem legendären Gitarristen von „Queen“. Oma Anna Stipsits nennt den Chihuahua aber liebevoll Breini.
Opa Stipsits ist schon vor 25 Jahren gestorben. Allein ist Anna Stipsits aber nicht. Sie hat drei Kinder und 16 Enkel, die sie alle lieb hat, aber „der Thomas ist schon ein ganz b‘sonders lieber Bua.“ Man kann sich nicht vorstellen, dass die Oma früher den Spitznamen „Feldwebel“ hatte. Thomas Stipsits greift sich verlegen aufs Kapperl, strahlt aber übers ganze Gesicht. Alle Schulferienzeit hat er hier in Stinatz bei seinen heißgeliebten Großeltern verbracht.
Hier kennt ihn jeder
Wann immer ein Auto vorbeifährt, heben Enkel und Oma die Hand: „Meine linke Hand ist vom vielen Grüßen schon ganz lädiert. Das ist blöd, weil ich bin ja Linkshänderin“, sagt die Oma und lacht dabei. „Hier vereinsamt man nicht. Wenn ich mit jemandem reden will, setze ich mich aufs Bankerl vors Haus“, sagt sie. Ein Auto bremst abrupt, der Fahrer lässt die Scheibe herunter: „Grüß Gott! Derf ich amol ein paar Bücher zum Signieren vorbeibringen?“ – „Sicher, sehr gern“, sagt Thomas Stipsits.
Ein weiteres Auto bremst, parkt ein. Leobener Kennzeichen. „Das ist ja mein Papa!!“, sagt Thomas Stipsits sichtlich überrascht. Die beiden umarmen sich fest. „Ich hol‘ nur schnell wieder den Brian ab“, sagt Stipsits‘ Vater, der auch Thomas heißt. Der Chihuahua wedelt freudig aufgeregt, aber als Thomas Junior ihn angreifen will, fletscht er seine Zähne und beißt. „Er tut, als wär‘ er ein Wolf, aber er weiß ja auch nicht, dass er klein ist“, erklärt Stipsits Senior und setzt sich zu Sohn, Hund und Oma. „Das Bankerl ist hier die Geheimdienstzentrale, der Dorffunk. Wenn man will, dass etwas verbreitet wird, setzt man sich da her“, sagt er.
Stinatz leidet unter der Landflucht
Stinatz leidet unter der Landflucht. Das spürt man auch im Gasthaus „Stinatzerhof“, das eigentlich nur noch am Wochenende offen hat. Die Tapezierung der Eckbänke ist auch hier burgenländisch-rot, auch die Vorhänge sind rot und gelb, im Winkel läuft der Fernseher, die Schank ist aus dunklem Holz, und überall stehen Tischaufsteller: „Zisch ein STIPS“. Seit heuer gibt es Thomas Stipsits auch vom Fass, er lässt sein eigenes Bier brauen. In der Gablitzer Privatbrauerei in Purkersdorf. Sein Helles wird beispielsweise im „Globe“ seines Kollegen Michael Niavarani ausgeschenkt und auch im „Orpheum“ in Wien.
An der Wand in der Gaststube hängt ein Bild von einem anderen großen Stinatzer, vom 2022 viel zu früh verstorbenen Dr. Kurt Ostbahn alias Willi Resetarits, es ist ein bisschen verrutscht. „Er hat so schöne kroatische Lieder können“, sagt Maria Oswald, Tochter vom „Stinatzerhof“. Sein „Lipo ti je čuti“, die Klage einer Mutter, deren Sohn als Soldat in den Krieg geschickt wurde, ist unvergessen.
Thomas Stipsits will uns noch die Kirche in Stinatz zeigen. „Mit der Oma hab‘ ich als Kind ja immer in die Frühmesse müssen und zu den Blockbuster-Events zu Ostern und zu Weihnachten“, sagt er. Sein bester Freund aus Kindertagen wurde Priester, Stipsits selbst hatte ursprünglich auch einmal die Idee, Religionslehrer zu werden. Die Bühne wurde dann doch eine andere.
An Stinatz schätzt er im Grunde das Gleiche, was er auch an seiner geliebten griechischen Insel Karpathos besonders mag: „Das Einfache, die dörfliche Struktur. Wo es nur eine Konditorei gibt, aber die macht drei Kuchen, und die sind gut. Warum soll man da noch etwas anderes wollen?“