Die Hübscheren haben es einfach leichter im Leben. „Man kann sagen: Schönheit zahlt sich aus. Als attraktiv wahrgenommene Menschen verdienen im Monat im Schnitt 800 Euro mehr als weniger attraktive“, erklärt Ulrich Rosar. Als Datengrundlage für diese Studie diente die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften, an der regelmäßig 3500 Erwachsene aus ganz Deutschland teilnehmen. Der Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf forscht seit knapp einem Vierteljahrhundert zum Thema physische Attraktivität und soziale Ungleichheit. Er kam über seine Doktorarbeit über Stereotypen und Wahlforschung zur Attraktivitätsforschung.

Gute Gene und Jugendlichkeit

Aber was heißt schon attraktiv? „Es gibt zwar nicht die eine Schönheitsformel, aber es gibt eine Reihe von Merkmalen“, sagt Rosar. Eine glatte Haut beispielsweise, denn das sei ein Gesundheitsindikator. Schließlich gehen Attraktivitätsforschung und Evolutionsbiologie oft Hand in Hand: „Attraktiv ist, was gute Gene verheißt - oder zumindest die Abwesenheit schlechter Gene“, erläutert Rosar. Ein symmetrisches Gesicht wird als attraktiver wahrgenommen, als ein unsymmetrisches. Merkmale, die auf Jugendlichkeit hindeuten - Stichwort: Reproduktion -, gelten als attraktiv, je weniger Falten, desto besser. Das gilt bei Frauen übrigens mehr als bei Männern.

Größere Männer gelten als attraktiver als kleinere, auch ein markantes Kinn sei von Vorteil. Frauen punkten körperlich mit der Sanduhr-Form. Übergewicht ist nicht attraktiv, das gilt für Männer und Frauen. Manchmal ziehe auch das Kindchen-Schema beim Gesicht (große Augen), „die Liste ist endlos“, sagt Rosar.

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Ein wenig abseits der Norm ist attraktiv

Mitunter würden wir aber auch jene Menschen besonders attraktiv finden, die ein wenig von der Norm abweichen. Der Attraktivitätsforscher nennt Julia Roberts als Beispiel, die eigentlich einen viel zu breiten Mund habe. Bei einer Studie wurde ihr Mund digital auf eine statistische Durchschnittsgröße gebracht - also kleiner gezeichnet - und dem Original gegenübergestellt. Den Teilnehmern des Experiments, die übrigens allesamt Julia Roberts nicht kannten, gefiel das Original weit besser.

„Pretty privilege“ heißt ein Phänomen, unter dem man versteht, dass attraktive Menschen besser behandelt werden als nicht attraktive. „Aus der Forschung weiß man, dass Attraktive die besseren Verkäufer sind, sie bekommen in der Schule bessere Noten und bekommen später bessere Jobs“, führt Attraktivitäts-Experte Rosar an. „Wir neigen dazu, attraktiven Menschen positive Eigenschaften zuzuschreiben, unabhängig davon, wie ihre Persönlichkeit tatsächlich ist“, sagt er.

Die Bevorzugung beginne schon im Babyalter, wie Studien belegen. Selbst bei Müttern zeige sich, dass sie mit einem hübscheren Baby besser umgehen: „Je attraktiver das Baby ist, desto mehr Zeit wird mit Spielen und Knuddeln verbracht“, erläutert Rosar.

Schon Neugeborene schauen hübschere Gesichter länger an als weniger hübsche, am Ende gelte aber immer: „Mama wird am längsten angeschaut“, sagt der Sozialwissenschafter.

Diskriminierung von Jung bis Alt

Weniger hübsche Menschen erfahren von klein an eine Diskriminierung, von der Wiege bis zur Bahre. „Weniger Schöne müssen sich mehr anstrengen, um das Gleiche wie Attraktive zu erreichen“, sagt Rosar. Und unabhängig, ob man selber schön oder schiach ist: „Attraktive werden bevorzugt. Den meisten ist das gar nicht bewusst. Selbst vor Gericht werden Urteile für Attraktive milder“, sagt Rosar. „Außer, Sie haben Ihre Attraktivität eingesetzt, um anderen zu schaden, etwa als Heiratsschwindler“, erklärt der Forscher.

Selbst die Erwartungen an die Fairness von Schöneren seien höher als bei Nicht-Attraktiven. Die Enttäuschung ist aber auch umso größer, wenn die Schöneren nicht halten, was sie versprechen, und würden dadurch höher abgestraft, als weniger Attraktive.

Hyperattraktive Menschen, schön wie Models, hätten aber auch Nachteile, erklärt Rosar: „Auf dem Partnermarkt traut sich niemand an sie ran, und ihnen werden oftmals negative Eigenschaften, etwa Egoismus, unterstellt.“ Schön ja, aber nicht zu schön also.

Sind Schöne nun aber auch zufriedener? „Haben wir tatsächlich kürzlich untersucht“, sagt Rosar. Allerdings stelle sich diesbezüglich die Frage: „Was ist Henne, was ist Ei? Attraktivität und Zufriedenheit hängen jedenfalls eng zusammen.“

Es gebe allerdings auch ein Studienergebnis, das allen, die nicht unbedingt zu den Augenweiden gehören, Trost spendet, erklärt der Attraktivitätsforscher: „Je länger man mit jemandem zu tun hat, desto weniger bedeutend wird das Thema Attraktivität.“

Soziologe und Attraktivitätsforscher Ulrich Rosar