Der Herbst ist eine Zeit des Wandels in der Natur. Die Tage werden kürzer, die Nächte länger, kühle Temperaturen und Nebelschwaden verleihen der Landschaft eine mystische Stimmung. Doch die Vorstellung, dass die Natur nun zur Ruhe kommt, ist ein Missverständnis. Tatsächlich tut sich einiges auf Österreichs Bergen, in den Wäldern und Auen. Viele Tiere bereiten sich auf den Winter vor, Zugvögel fliegen in den Süden, andere Arten aus nördlicheren Gebieten kommen zu uns. Das aber wohl spektakulärste Schauspiel bietet die Paarungszeit der Hirsche und Gämsen.
Respektvoller Besuch in der Natur
Während die Hirschbrunft Ende September bereits ausklingt, kann man die Paarung der Gämsen noch bis Anfang Dezember gut beobachten. „Die jungen Böcke, die das ganze Jahr über als Einzelgänger unterwegs sind, versuchen sich ab dem Spätsommer einem Weibchenrudel anzuschließen“, erklärt Franz Sieghartsleitner vom Nationalpark Kalkalpen. Dabei präsentieren sie sich mit aufgestellten Rückenhaaren, dem Gamsbart, und zeigen ihren gelben Fleck am Kehlkopf, um größer und imposanter zu wirken. Häufig kommt es dabei zu Kämpfen mit älteren ranghohen Böcken um die Gunst der Weibchen.
Da es sich um eine so heikle Zeit handelt, legen die Ranger des Nationalparks großen Wert auf einen respektvollen Besuch in der Natur. Führungen finden in den frühen Morgenstunden mit maximal sechs Teilnehmern statt. Besonderes Augenmerk wird auf ausreichende Distanz zu den Tieren gelegt. „Das Werben um ihre Zukünftigen ist für die Gamsböcke schon stressig genug“, so Sieghartsleitner. Manche Böcke haben danach so viel Fett verbrannt, dass sie einen starken und langen Winter nicht überleben.
Neben dem Spektakel der Paarungszeit von Gämsen und Hirschen gibt es im Herbst noch viele andere Tierarten zu beobachten. „Entlang der Wanderwege sieht man Tannen- und Eichelhäher sowie beinah alle der sieben hier heimischen Spechtarten“, erklärt Sieghartsleitner. Die Bergfinken bilden in dieser Zeit große Schwärme. „Bei feuchter Witterung können auch Feuersalamander gesichtet werden.“ Seltener, aber doch möglich sind Begegnungen mit Steinadlern, Füchsen, Baum- und Steinmardern, Iltissen, Dachsen und unterschiedlichen Mausarten, die emsig nach Früchten und Bucheckern suchen.
Von den Bergen geht es weiter in die Wald- und Wasserlandschaften der Donauauen. Der Nationalpark Donauauen bildet das „grüne Band“ zwischen den Ballungsräumen Wien und Bratislava. Mit über 9000 Hektar ist er die größte zusammenhängende intakte Auenlandschaft Mitteleuropas. In den Alt- und Seitenarmen der Donau, den Tümpeln, Wiesen und Auenwäldern leben mehr als 800 Arten höherer Pflanzen, 39 Säugetierarten und rund 100 Brutvogelarten. Ergänzt wird das Spektrum durch acht Reptilien-, 13 Amphibien- und 67 Fischarten.
Besuch beim „König der Auen“
Wer dem „König der Auen“ begegnen möchte, sollte eine der gleichnamigen Wintertouren im Nationalpark Donauauen besuchen. „Bis zu sechs Seeadler haben in dem Schutzgebiet ihr Zuhause“, erklärt Nationalparkdirektorin Edith Klauser. „In der kalten Jahreszeit nutzen dazu zahlreiche Seeadler aus nördlicheren Gebieten die Donauauen zum Überwintern.“ Wenn die Bäume ihre Blätter verlieren und freiere Sicht auf die Tierwelt ermöglichen, hat man auch gute Chancen, den Eisvogel zu sehen. In den Tümpeln der Auen lebt zudem die letzte ursprüngliche Population der Europäischen Sumpfschildkröte in Österreich.
Das Schutzgebiet kann entweder selbstständig oder bei geführten Wanderungen, Kanu- oder Schlauchboottouren mit einem Nationalpark-Ranger erkundet werden. Mit etwas Glück lassen sich auch die scheuen Biber beobachten. „Um die Tiere nicht zu stören, sollten Besucher immer auf den markierten Wegen bleiben“, rät Edith Klauser. „Wildtiere zu beobachten erfordert Achtsamkeit und Geduld – ruhig verhalten, geduldig sein, etwas verweilen und die Natur wirklich wahrnehmen.“
Ljubisa Buzic