Wir treffen Bill Gates im Science Museum in London. Es ist nicht der erste Besuch des Microsoft-Gründers. Vor 15 Jahren lebte der in Seattle geborene Unternehmer mit seiner Familie hier in der Nähe und hat schöne Erinnerungen daran, wie er mit seinem damals zehnjährigen Sohn Rory John die Dampfmaschinen besichtigte. Heute sind seine drei Kinder erwachsen, er hat ein Enkelkind, ein weiteres ist unterwegs.

Gates hatte 1994 Melinda French geheiratet. Mit der Programmiererin und damaligen Projektmanagerin des Betriebssystemzusatzes Microsoft Bob gründete er 1999 die Bill & Melinda Gates Foundation, die derzeit über ein geschätztes Vermögen von annähernd 46,8 Milliarden US-Dollar verfügt und damit inzwischen die größte private, wohltätige Stiftung der Welt ist. Vor drei Jahren ließen sich die beiden scheiden.

Das Team von Gates stellt klar, dass dies kein Interview über sein Junggesellenleben sein soll. Melinda Gates, die in vier Tagen 60 wird, hat ihre Rolle in der Stiftung aufgegeben. Sie schien immer diejenige zu sein, die die Gesundheit der Frauen vorangetrieben hat. Wird sich das ändern? Melindas Entscheidung zu gehen, war für Gates „eine Enttäuschung“, aber die Finanzierungsprioritäten sind unverändert. „Bezüglich der Strategien unserer Foundation hatten wir nie andere Ansichten. Und es war auch nicht so: „Ich kümmere mich um HIV, du um Tuberkulose‘.“

Gates schaukelt auf seinem Sessel und spricht darüber, was er dazu beitragen konnte, dass es dramatische Fortschritte im Gesundheitswesen gegeben hat, dass sich zum Beispiel die Kindersterblichkeit seit 1990 halbiert hat und dass allein die von ihm unterstützte Gavi (Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung)  schätzungsweise 17 Millionen Leben gerettet hat.

In 20 Jahren, wenn Gates 89 ist, wird seine Vermögensübertragung an die Stiftung enden. Sein Bankkonto könnte zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert weniger als zehn Ziffern aufweisen. Die Stiftung wird weiter bestehen und sich erst 20 Jahre nach seinem Tod auflösen. Was er und seine Partner bis dahin erreichen wollen? „Auf jeden Fall die Ausrottung der Kinderlähmung, von Malaria und Masern“, sagt der Amerikaner. Eine weltweite Unterernährungsrate von unter einem Prozent wäre für ihn ein Erfolg. „Und ich möchte die HIV-Epidemie beenden und die Tuberkulose um den Faktor zehn senken“.

An Ehrgeiz mangelt es Gates nicht. Und wenn es im Jahr 2044 andere Prioritäten gebe, sei ihm das egal. „Zu dieser Zeit wird es viele reiche Leute geben. Ich hoffe, etliche von ihnen stürzen sich auf das Thema globale Gesundheit.“

Für einen Mann, der sein ganzes Geld hergibt, macht sich Bill Gates ziemlich viele Gegner und Feinde. Manche behaupten, er habe zu viel Macht; er habe sein Computermonopol gegen ein Gesundheitsmonopol eingetauscht; er sei immer noch ein unverantwortlicher Milliardär, der immense Macht hat und das Leben vieler kontrolliert.

Für ihn gebe es eine einfache Lösung, das zu ändern: „Jene Leute, denen es nicht gefällt, was ich tue, sollen selbst ihr Geld hergeben. Er würde die Verantwortung gern auf andere verteilen, zum Beispiel bei der Malaria-Forschung, für die nur die US-Regierung mehr ausgibt als seine Stiftung.  „Wenn wir einen Fehler machen … eine Katastrophe, es sterben immer noch 400.000 Kinder pro Jahr an Malaria. Es ist so unterfinanziert, dass es mich umhaut.“

Als Gründer von Microsoft verbrachte er die erste Hälfte seines Lebens also damit, der reichste Mann der Welt zu werden. Als Gründer der Bill & Melinda Gates Foundation hat er die zweite Hälfte damit verbracht, es zu verschenken. Seit ihrer Gründung im Jahr 1999 haben Gates und seine inzwischen ehemalige Frau Melinda ihrer Stiftung 60 Milliarden Dollar gespendet. Sie sind nicht nur der zweitgrößte Geldgeber der Malaria-Forschung, sondern auch der zweitgrößte der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ihre Interessen reichen von Kindersterblichkeit und Infektionskrankheiten wie Covid bis hin zu Unterernährung und landwirtschaftlicher Effizienz.

Heutzutage kann die Gates-Agenda im Gesundheitsbereich faktisch zur globalen Gesundheitsagenda werden, und manche Leute finden diese gebündelte Macht beängstigend. Ein Artikel in der New York Times beschrieb einige dieser Befürchtungen; darin behauptete unter anderem ein Forscher, Gates habe Wissenschaftler „in einem Kartell eingesperrt“. Es ist eine Variante eines Themas, das man inoffiziell von anderen Wissenschaftlern hört, die ganz scharf darauf sind, durch seine Finanzierung „gefangen gehalten“ zu werden.

Kann er die Kritik nachvollziehen? „Sollten wir unsere Malaria-Forschung einstellen, nur weil sich jemand unwohl fühlt? Sollen wir sie überhaupt nicht mehr finanzieren?“ Also, nein, er sieht den Sinn nicht. Gates rechnet damit, dass er noch 20 Jahre vor sich hat. Bis dahin will er sein gesamtes Geld an die Stiftung überwiesen haben. Oder fast alles: „Ich behalte ein Prozent für meine Tennisschläger“, scherzt er.

Abgesehen von den Verschwörungstheoretikern, die immer noch glauben, Leute wie Gates & Co wollen den Menschen mit Impfungen Mikrochips zur Totalkontrolle implantieren: Es ist schwierig, nicht wie ein Rüpel zu klingen, wenn die Person, die man kritisiert, großzügig ihr gesamtes Geld verschenkt. Aber wenn es sich um Geld handelt, das im Maßstab eines Staates ausgegeben wird, kann die ganze Angelegenheit auch nicht über Kritik erhaben sein. Zu den interessanteren Kritikpunkten gehört, Gates konzentriere sich zu sehr auf die Idee, dass Technologie uns alle retten wird. Nicht nur in seinem Buch „How To Prevent The Next Pandemic“ argumentiert er dagegen: „Ich bin ein Technikfreak. Innovation ist mein Hammer, und ich versuche, damit jeden Nagel einzuschlagen, den ich sehe.“

Ein Bild aus früheren Tagen: Bill Gates mit seiner ehemaligen Frau Melinda, mit der er die Stiftung gründete
Ein Bild aus früheren Tagen: Bill Gates mit seiner ehemaligen Frau Melinda, mit der er die Stiftung gründete © Imago
Bill Gates mit seiner jetzigen Lebensgefährtin Paula Hurd kürzlich bei einem olympischen Turnwettbewerb in Paris
Bill Gates mit seiner jetzigen Lebensgefährtin Paula Hurd kürzlich bei einem olympischen Turnwettbewerb in Paris © Imago