Sie lässt sich beim Kochen filmen und findet Millionen Menschen, die ihr dabei zusehen. Sie zeigt beispielsweise, wie sie Beerenmus herstellt, ist dabei tiptop geschminkt und trägt ein Kleid, als müsste sie jeden Moment zu einer Vorstellung der Salzburger Festspielen aufbrechen. Und sie spricht dabei so einschläfernd und monoton, dass es schon wieder witzig ist. Die „Zeit“ übertitelte zuletzt einen Artikel über sie völlig zu Recht mit „Hypnose am Herd“: Nara Smith lullt ein. Sie ist ein Shooting-Star der Online-Welt mit mehr als sechs Millionen Followern auf TikTok und drei Millionen auf Instagram.

Was sie so macht? Kochen, backen, plaudern, sich schminken, shoppen gehen. Was man in der Reihenfolge eigentlich gar nicht so macht, wenn man jung, schön und offenbar reich ist, denn die Mode, die sie trägt, ist definitiv nicht von der Stange. Nara Smith ist 22 Jahre alt, war ein Model und lebt mit ihrem Mann - ebenfalls ein Model - in Los Angeles und hat bereits drei Kinder mit ihm. Die heißen aber nicht banal Joe, Jack oder Ben, sondern Rumble Honey, Slim Easy und Whimsy Lou. Ihr Ehemann heißt übrigens Lucky Blue Smith. Ein Leben in Himmelblau und Rosarot. Einer ihrer leicht verschwurbelten Lieblingssätze: „Mach‘ das Beste, was du kannst, mit dem, was du hast, das ist alles, was du tun kannst, und was du tun sollst.“

Nara Smith gilt als eine dieser Tradwives, eine dieser traditionellen Ehefrauen, die bei Kind und Küche bleiben, während der Mann ausrückt und das Geld heimbringt. Die Begrifflichkeit dafür im dritten Jahrtausend: Er ist der Provider, sie der Housemaker. Einfache, überschaubare Verhältnisse und eine Rolle rückwärts ins Zeitalter vor Emanzipation, Feminismus und Unabhängigkeit. Der Ursprung dieser Bewegung liegt in den USA.

Laut „Google Trends“ begannen Online-Suchanfragen nach dem Begriff „Tradwife“ bereits Mitte 2018 und erreichten Anfang 2020 einen ersten Höhepunkt.. Die Hintergründe sind eher schwammig. Manche orten einen bewusst herbeigeführten Backlash von Rechtsaußen, manche den unbewussten Rückzug ins Private.

Dass sich just junge Frauen in unseren Tagen freiwillig von draußen ab- und lieber Heim und Herd zuwenden, mag auch damit zusammenhängen, dass Doppel- und Dreifachbelastungen nicht wirklich die Frauengesundheit fördern. Weder in physischer, noch in psychischer Hinsicht. „Für die Frauen ist zu Hause nur Schichtwechsel“, erklärte schon vor fast 100 Jahren die Ökonomin, Widerstandskämpferin und Gründerin des Frauenreferats der Arbeiterkammer, Käthe Leichter, die 1942 vom Nazi-Regime ermordet wurde.

Auch wenn in den letzten Jahrzehnten die Frauenerwerbsquote in weiten Teilen Europas deutlich angestiegen ist, wie aktuelle Studien belegen, sind die „Tradwives“ mittlerweile auch in Europa ein immer stärker werdendes Phänomen.

Ihren Durchbruch hatte Nara Smith übrigens mit einem Video, in dem sie Cornflakes zubereitet: Aber nicht Packung auf und Milch drüber, sondern von Grund auf, vom Teig bis zum Formen jeder einzelnen Frühstücksflocke per Hand. Sie ist inzwischen eine der einflussreichsten Influencerinnen der Welt, die letztlich auch viel Geld damit verdient - via Werbung, Produktplatzierung, Verkäufen via Links, eigenen Produktverkäufen sowie zig Followern. So ist es auch durchaus denkbar, dass Nara Smith weniger Heimchen am Herd als vielmehr eine gerissene Untermehmerin mit einem toughen Geschäftsmodell ist.

Facebook-Gründer Marc Zuckerberg sagte einmal: „Menschen beeinflussen Menschen, und nichts beeinflusst Menschen mehr als eine Empfehlung von einem vertrauenswürdigen Freund.“ Vielleicht reicht ja auch eine Social-Media-Figur.