Auch ein beachtlicher Erfolg in Zeiten der Reihungsexzesse: Auf Google hat sie Aurora, das namensgebende Polarlicht, auf die hinteren Ränge verwiesen, denn an erster Stelle steht der Eintrag, dass sie, Aurora Aksnes, am 20. September ein Konzert im Wiener Gasometer gibt. Und wer sie ist und was sie bewirken möchte, erklärt sie gleich selbst: „Ich bin Aurora Aksnes von der Westküste Norwegens. Ich bin eine Träumerin und eine Denkerin. Ich schreibe Musik, die aus all meinen Gedanken entsteht und hoffe, dass sie auch anderen etwas bedeutet.“

Aurora auf dem Cover ihres
Debütalbums
Aurora auf dem Cover ihres Debütalbums © aurora-music.com/KK

Die Hoffnung hat sich längst erfüllt, denn die 28 Jahre alte Künstlerin wird von Fans geschätzt und von Kritikern hofiert, die in ihr eine Lichtgestalt sehen, die den gängigen Pop-Einheitsbrei überstrahlt. Den Nachnamen hat sie abgelegt, der Vorname als Künstlername wird von ihr selbst großgeschrieben. Und als Aurora verströmt die Norwegerin eine magische Aura, die sich irgendwo zwischen fragiler Elfenhaftigkeit und tougher Emanzipation einpendelt.

Denn die Zerbrechlichkeit der Künstlerin lässt leicht vergessen, dass hier eine selbstbewusste Frau am Werk ist, die ganz genau weiß, was sie tut und will. Im Dokumentarfilm „Once Aurora“ (2018) ist zu sehen, wie sie sich mit ihrem Manager, Produzenten und der Plattenfirma anlegt. Und wie wichtig ihr die Musik ist, die sie nicht als Konsumartikel, sondern Kulturgut sieht, zeigen Szenen, in denen sie um das Album-Format kämpft, während das Label längst vor dem Streamingverhalten der Musikcommunity kapituliert hat. Auf die Frage, wie sie in Erinnerung bleiben möchte, antwortet Aurora im Film: „Als Genie.“ Auch das eine Polarität, die typisch ist für diese Künstlerin: Auf der einen Seite wankende Unsicherheit, auf der anderen das Bewusstsein der eigenen Güteklasse.

„What Happened To The Heart“ heißt das aktuelle Album von Aurora, und es entzieht sich jeder vorschnellen Etikettierung. Vielschichtige Soundcollagen sind oft Nährboden der Songs, aber bei weitem nicht die einzige Schicht. Das Ätherische, Schwebende wird immer wieder unterbrochen und gebrochen durch wüste Industrial-Attacken oder Trip Hop-Coolness. Pulsierende Beats treffen auf Synthie-Elemente in poppigen Arrangements, die aber oft erschüttert werden durch disharmonische Störfeuer. Dazu passen die musikalischen Vorbilder: eine Gemengelage aus Heavy Metal, Bob Dylan, Leonard Cohen, Björk und Florence Welch. In den Texten changiert Aurora zwischen globalem Zustandsbericht, gesellschaftspolitischen Anliegen und persönlicher Selbstspiegelung. Da geht es um Selbstzerstörung – und Selbstheilung. Auf dem Cover ist ein Metallherz zu sehen, das in einer Handfläche liegt, aber jederzeit abrutschen könnte. In einem Interview sagte Aurora: „Da die Welt so von Geld und Macht korrumpiert ist, kann man nicht anders, als sich zu fragen: Was ist mit dem Herzen passiert?“

Rein optisch erfüllt Aurora alle Klischees einer Nordlicht-Künstlerin: blasser Teint, flachsblondes Haar, das Temperament zwischen Traurigkeit und Toben. Doch das, was Kritiker heute gerne als „Pop-Phänomen“ bezeichnen, kommt nicht aus dem Nichts. Bereits im Alter von sechs Jahren begann Aurora Aksnes aus Stavanger mit dem Klavierspiel. Ihre Debütsingle „Awakening“ erschien 2014. In diesem Jahr trat sie auch erstmals in ihrer Heimat auf einem Musikfestival auf und wurde als „gutes weibliches Vorbild“ – was immer das heißen mag – mit einem Preisgeld ausgezeichnet.

International bekannt wurde Aurora im Alter von 18 Jahren durch ihr Lied „Running with the Wolves“ aus ihrer gleichnamigen Debüt-EP. Das Lied wurde in Deutschland für Vodafone-Werbungen eingesetzt und landete in den Charts. Im März 2016 schließlich veröffentlichte sie ihr Debütalbum „All My Demons Greeting Me As A Friend“. Über ihre Kunst sagt Aurora: „Oft schreibe ich Songs einfach nur für mich selbst, und dann fühlt es sich komisch an, diese mit vielen Leuten zu teilen.“

Daran wird sie sich wohl gewöhnen müssen.

Aurora Asksnes
Aurora Asksnes © IMAGO
Aurora. What Happened To The Heart? Universal.