Der erste Tag im Kindergarten kann Kinder überfordern – unbekannte Räume, eine große Gruppe fremder Buben und Mädchen, viel Lärm und Betreuerinnen, die man noch nie gesehen hat. Zusätzlich zu dieser neuen Umgebung werden von den Dreijährigen, die zum ersten Mal in die Betreuung kommen, oft Dinge erwartet, die sie noch nicht gelernt haben. Wurde dieser Stress im Kleinkindalter früher als unvermeidbar betrachtet, legt man heute mehr Wert auf Vorbereitung und Begleitung. Ein Informationsbogen der Stadt Klagenfurt, der bei der Kindergartenanmeldung verteilt wird, gibt etwa eine Reihe von Empfehlungen für die Vorbereitung auf den Kindergarten. Die Liste mit insgesamt acht Punkten umfasst Themen wie selbstständiges Beschäftigen für mindestens zehn Minuten, kurze Trennungen von den Eltern, Händewaschen und Abtrocknen sowie die Fähigkeit ein paar Minuten zu warten.

Dass eine Vorbereitung auf den Kindergarten notwendig ist, bestätigt Barbara Graber (50), Pädagogin und Direktorin des Bafep Kärnten (Bundes-Bildungsanstalt und Kolleg für Elementarpädagogik). „Für viele Kinder ist der Eintritt in den Kindergarten die erste große Trennung von den Eltern. Damit muss das Kind erst mal zurechtkommen“, so die Pädagogin. Eltern rät sie, mit ihren Kindern über den Kindergarten zu sprechen und ihn positiv darzustellen. Auch das Einbeziehen des Kindes in die morgendliche Routine, beispielsweise beim Aussuchen und Einpacken der Jause, sei wichtig.

Die Bedeutung des Kindergartens, dem manchmal immer noch das Negativimage der „Fremdbetreuung“ anhaftet, für die kindliche Entwicklung, kann die Pädagogin gar nicht genug betonen: „Der Kindergarten ist die erste Bildungsinstitution, mit der ein Kind in Berührung kommt. Kinder erwerben hier in der Gruppe Kompetenzen, die sie zuhause oft nicht erlernen können. Das gilt besonders in Zeiten, wo sich die Familienstrukturen ändern und es weniger Geschwister und gleichaltrige Spielkameraden gibt“, so Graber. Zahlreiche Studien belegen, dass der Kindergarten auch eine wichtige soziale und integrative Funktion für die Gesellschaft hat. Der Besuch einer frühkindlichen Bildungseinrichtung hilft soziale Unterschiede zwischen den Kindern auszugleichen. So bestätigt eine aktuelle Forschungsarbeit, die 2023 im Fachjournal „European Sociological Review“ veröffentlicht wurde, dass Kinder aus ärmeren Familien besonders von der frühpädagogischen Betreuung profitieren. Die Studie zeigt aber auch, dass gerade diese Kinder stärker von fehlenden Kindergartenplätzen betroffen sind.

Bei den Vorbereitungsübungen für diesen wichtigen Entwicklungsschritt gehe es nicht nur um das „Training“ der Kinder, sondern vielfach auch um „Elternbildung“, so Graber. „Wir bemerken, dass in vielen Familien bestimmte Kulturtechniken weniger Relevanz haben als früher“, erklärt die Pädagogin. „Wir sehen Kinder, die noch nie mit Messer und Gabel gegessen haben oder mit Fertiggerichten aufwachsen. Vor ein paar Wochen hatte ich im Kindergarten ein Erlebnis mit einem dreieinhalbjährigen Mädchen, das in einer Spielküche stand, der Tisch war bereits gedeckt, und es hielt sich eine Banane ans Ohr und sagte ‚Ich bestelle jetzt Nudeln‘. Das ist eine Entwicklung, die mir Sorge bereitet.“ Auch beim Thema Toilettengang findet ein Wandel statt. War es früher noch üblich, dass man sagte, ein Kindergartenbesuch sei erst möglich, wenn das Kind keine Windel mehr benötigt, so wird das heute weniger streng ausgelegt, auch wenn es sich dabei um eine der Empfehlungen für die Kindergartenvorbereitung handelt. „Wir beobachten, dass die Kinder später in die Ausscheidungsautonomie übergehen, was wohl auch ein gesellschaftliches Phänomen ist“, so Graber.

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Problematischer sieht sie, dass Eltern immer wieder wenig Verständnis für die Eingewöhnungsphase haben, die üblicherweise mindestens zwei Wochen dauert. Österreichische Kindergärten orientieren sich dabei an der bedürfnisorientierten Pädagogik und arbeiten mit dem sogenannten „Berliner Modell“. Bei diesem werden Kinder in der Eingewöhnung noch intensiv von den Eltern begleitet. Um den Stress in der Gruppe zu minimieren, sollten nie mehr als zwei oder drei Kinder eingewöhnt werden. In der ersten Phase bleiben Mamas oder Papas im selben Raum, sind aber nur Beobachter. Später begeben sich die Eltern immer wieder für mehrere Minuten in einen anderen Raum, sagen dem Kind aber, dass sie in der Nähe sind. Zuletzt verlassen sie die Einrichtung komplett, bleiben aber abrufbar, falls das Kind sie braucht.

In diesem Zusammenhang streicht die Pädagogin auch eine Besonderheit des Kindergartens gegenüber späteren Bildungsinstitutionen hervor: „Wir sind die einzigen, die noch jeden Tag direkten Kontakt zu den Eltern haben. Dadurch haben wir auch einen guten Ansatz für die Elternbildung“, erklärt Barbara Graber.

Infobox 1 Laut Statistik Austria hat im Kindergartenjahr 2022/23 ein knappes Drittel der unter Dreijährigen und fast 95 Prozent der Drei- bis Fünfjährigen eine elementare Bildungseinrichtung besucht. Nur die Hälfte der Kinder hat jedoch eine Ganztagsbetreuung, die den Eltern eine Vollzeitarbeit ermöglicht.

Infobox 2 Bilderbücher können eine spielerische Vorbereitung auf den Kindergarten bieten. Das Buch „Wieso? Weshalb? Warum? junior, Band 24: Mein Kindergarten“ (Ravensburger Verlag, € 12,95) zeigt altersgerecht, was ein Kindergarten ist und was dort gemacht wird. Es vermittelt den Alltag vom Ausziehen der Jacke in der Garderobe bis zum gemeinsamen Basteln, Malen und Singen.

Bafep-Direktorin Barbara Graber
Bafep-Direktorin Barbara Graber © KK