Das Wetter hat immer das letzte Wort. Den Alltag der Bergbauern gibt schließlich die Natur vor. Bauernregeln sind oft auch treffsicherer als Wetter-Apps: Ist der Winter kalt und weiß, wird der Sommer lang und heiß. Wenn der April Spektakel macht, gibt‘s Korn und Heu in voller Pracht. Vor Nachtfrost du nie sicher bist, bis Sophie vorüber ist. Die „Kalte Sopherl“ am 15. Mai markiert das Ende der Eisheiligen.
Keine Bauernregel, trotzdem wahr: Je höher die Wiesen, desto anstrengender die Arbeit. Der Titel Bergbauer ist durch eine EU-Richtlinie geschützt. Darauf weist auch Klaus Maria Einwanger in seinem eindrucksvollen neuen Foto-Buch „Bergbauern“ hin: „Die Wiesen und Weiden müssen über 700 Metern liegen oder in einer Höhe über 500 Metern und dabei eine bestimmte Hangneigung aufweisen.“
Sieben Tage die Woche
Diese Betriebe, von denen es immer weniger gibt, funktionieren nur deshalb noch, „weil alle mit anpacken, von Kindesbeinen an und bis ins hohe Alter, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, sieben Tage die Woche“, erzählt uns Einwanger am Telefon. Der bayerische Fotograf, der mit seiner Frau und den drei Kindern auf einem alten Bauernhof in Kiefersfelden lebt, einer Grenzstadt zu Kufstein, begleitete über mehrere Jahre acht Bergbauernfamilien im Jahreskreislauf. Er begleitete die Bäuerin bei der allmorgendlichen Stallarbeit, jenseits der Lila-Kuh-Idylle, marschierte mit, als die Tiere vom Hof auf die Alm getrieben wurden, fotografierte mit seiner Leica SL, als die Almhütten neue Schindeln bekamen. Und er lernte, dass Bäume mitunter auch an Ort und Stelle abgebrannt werden müssen, um Käferbefall und Wildwuchs zu vermeiden, wenn die Hänge zu steil sind und zu weit weg von jeder Infrastruktur: Die Kunst dabei sei es, den genauen Zeitpunkt zu finden, wenn das Holz trocken genug, aber der Boden noch leicht feucht ist, um keinen Flächenbrand zu entfachen.
„Insgesamt habe ich 82 Tage mit den Landwirten verbracht, da lernt man sehr viel dazu“, erzählt uns der Fotograf, dessen Hauptthema eigentlich die Food-Fotografie ist, und der auch für Unternehmen wie Erdinger, Heineken oder Siemens arbeitet. Beeindruckt habe ihn an den Bergbauern diese grundlegende Zufriedenheit, die allesamt ausstrahlen würden. Die Arbeit der Bergbauern sei mit Sinn erfüllt, und jeder wisse, was er zu tun habe, das spüre man. „Ich habe tatsächlich kein Klagen oder Jammern über die wirklich harte Arbeit gehört. Bis auf eine Person hat auch niemand gesagt, einmal Urlaub machen zu wollen“, schildert er. Die Menschen würden mit und bei den Tieren leben, mit und in der Natur, miteinander und füreinander, sonst klappe das unter diesen schwierigen Bedingungen gar nicht.
„Unsägliche Bürokratie“
Es gebe allerdings einen Punkt, bei dem alle Bergbauern, die er getroffen habe, nur mit Kopfschütteln und Stirnrunzeln reagieren würden: „Diese unsägliche Bürokratie, die Jahr für Jahr noch mehr wird“, schildert der Fotograf. Daran sei freilich nicht nur die EU schuld, einen großen Anteil hätten auch die bayerischen und deutschen Verwaltungen mit ihren unzähligen Verordnungen. „Von jemandem, der noch nie eine Kuh gemolken oder den Stall ausgemistet hat, möchte ich mir nicht vorschreiben lassen, wie ich meine Arbeit korrekt erledige“, klagte etwa einer der porträtierten Bauern.
„Ich wurde in erster Linie Fotograf, weil ich Geschichten erzählen möchte“, erklärt Einwanger. Bildschöne Geschichten: von stolzen Menschen, die harte Arbeit leisten..