Die Kommentare in den Onlineforen zur Krebserkrankung von Prinzessin Kate waren teilweise so grob und gehässig, dass man sich fragte, ob den Menschen das Mitgefühl, die Empathie verloren gegangen ist. Das Mitgefühl unterscheidet den Menschen von Tieren, Maschinen und vom Alleskönner Computer.

„Man kann alles mögliche digitalisieren, aber niemals die Empathie“, erklärt uns Psychiater Reinhard Haller. „Schon Stephen Hawking, der britische Astrophysiker, der im Rollstuhl saß, sagte in einem bilanzierenden Interview gegen sein Lebensende hin, dass die Zukunft der Menschheit davon abhänge, ob sie sich die Empathie bewahren könne“, sagt Haller, der davor warnt, dass die Digitalisierung das Ende der Empathie beschleunige, denn der Computer könne viel, aber „Empathie wird er nicht hinbekommen“. Man könne noch so viele Smileys entwerfen - Empathie werde keine draus. Die Digitalisierung führe zu einer emotionalen Kälte, zu einer Entsolidarisierung und letztlich zur Vereinsamung. So viele Milliarden Menschen, aber jeder für sich allein? „So ist es“, sagt Haller.

Unsere Gesellschaft sitze auf einem gigantischen Aggressionspotenzial, warnt Haller. Vor allem jüngere Erwachsene, bei denen das „Konzert der Hormone auf höchstem Niveau“ spiele, betreffe das. Und da wir alle zum größten Teil in Berufen arbeiten, in denen wir fast nur noch sitzen „staut sich etwas zusammen, das ein Ventil braucht.“

Das Internet sei ideal dafür, „den ganzen Eiter“ hinauszulassen, den Menschen in sich haben, die selbst unter großen Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsgefühlen leiden. Menschen, die sich selbst schwach fühlen, könnten sich hinter ihren Nicknames verstecken und ihren Aggressionen ungehindert freien Lauf lassen. Die Aggressivität von Internettätern richte sich auf Menschen, die noch schwächer erscheinen würden, als sie selbst, und auf die sie dann ihre ganze Wut und den Frust abladen könnten.

Welches Rüstzeug braucht es da für unsere Kinder, für die das Internet ein wesentlicher, selbstverständlicher Teil ihrer Welt ist? „Bei der Erziehung darf man die drei Z nicht vergessen: Zuwendung, Zärtlichkeit und Zeit. Das ist es, was der Mensch als emotionale Muttermilch zum Überleben braucht“, formuliert der 72-jährige Psychiater. In unserer schnellen Zeit komme das oft viel zu kurz und Kinder fühlten sich unterversorgt: „Dass sie dann unempathisch und zugleich hochaggressiv werden, ist gut nachvollziehbar“, sagt er. Die Schlüsselfrage sei auch, wie ich die Kinder vom Netz bekomme, denn viele seien mittlerweile süchtig nach dem Handy. „Es muss online-freie Zeiten geben, damit die Kinder wieder geerdet werden und nicht nur in ihrer digitalen Welt leben“, begründet Reinhard Haller. Er plädiert außerdem dafür, dass es in der Schule auch „eine Art Empathieunterricht“ geben müsste. Denn wenn es tatsächlich so ist, wie Stephen Hawking sagt, dass von der Empathie die Rettung der Menschheit abhängt, müsste man sich sagen, dass es in der Schule auch um die Lehre der emotionalen Intelligenz geht. Letztlich wäre das ein revolutionärer Gedanke.“