Es war der 2. Februar 1893, als wagemutige Männer und Frauen in Mürzzuschlag über einen verschneiten Misthaufen sprangen. Weit gingen die Sprünge damals allerdings nicht: „Es war ein kleines Hupferl“, sagt Barbara Habermann vom Wintersportmuseum in Mürzzuschlag. Der Sieger war damals ein Norweger namens J. Bismark Samson. „Er hat in Wien eine Bäckerlehre gemacht und von dem Rennen gelesen. Er sprang sechs Meter weit, landete damit auf Platz eins und war der Held des Tages.“

Bei den Frauen gewann übrigens Marie Angerer aus Langenwang, so ist es einem damaligen Zeitungsbericht zu entnehmen. Ein kleiner Exkurs: Bekannt wurde später übrigens die Skisprungpionierin Gräfin Paula Lamberg, die 1911 in Kitzbühel ihren ersten Sprung wagte und dabei eine Weite von 22 Metern schaffte. Ihr Beiname lautete: „Die fliegende Gräfin“.

Schruf war ein Mann mit Weitblick

Das Misthaufenspringen im Jahr 1893 veranstaltete der „Verband Steierischer Skiläufer“. Es war der erste Skisprungwettbewerb Mitteleuropas und der Auftakt zu europaweiten Skisprungmeisterschaften, wie es im digitalen Skisprungschanzen-Archiv heißt. Die Idee dazu hatte der Hotelier Anton „Toni“ Schruf aus Mürzzuschlag. Er hatte dazu auch den Nordpolforscher Fridtjof Nansen eingeladen, der sich auf einer Vortragsreise in Wien befand. Toni Schruf war Besitzer des Hotel Post. „Er hat immer geschaut, dass Persönlichkeiten zu ihm ins Hotel kommen, er hat immer geschaut, dass er Kontakte knüpfen kann“, erzählt Habermann. Schruf war ein Mann mit Weitblick und ein ambitionierter Touristiker. „Er hat eine Koch-Kellner-Lehre gemacht und ist viel herumgekommen. Er hat sich angeschaut, wie man einen Hotel- und Gastronomiebetrieb führen kann“, sagt Habermann.

Bild eines Skifahrers in Norwegen als Lösung

Im Jahr 1890 übernahm er das Hotel Post und überlegte rasch, wie man auch im Winter Gäste nach Mürzzuschlag bringen könnte. Da kam ihm seine Freundschaft mit dem Grazer Sportpionier Max Kleinoscheg gerade recht. Der Spross einer Industriellenfamilie und Sektdynastie schloss sich dem Österreichischen Biographischen Lexikon zufolge 1882, als Hochräder in der Steiermark bekannt wurden, dem Grazer Bicycle-Klub an und fuhr mit diesem beispielsweise durch Ägypten und über das Atlasgebirge zur Sahara. Im Jahr 1890 sah er in einer englischen Zeitung das Bild eines Skifahrers in Norwegen - und fand damit eine Lösung, schneebedeckte Berge zu besteigen. Denn er war auch ein leidenschaftlicher Alpinist. Und so gab er eine Bestellung auf und „brachte im Winter 1890 erstmals Skier aus Norwegen nach Mürzzuschlag, um gemeinsam mit Toni Schruf die neue Sportart auszuprobieren“, heißt es im Blog des Universalmuseums Joanneum.

Kleinoscheg und Toni Schruf gingen gemeinsam auf Touren mit den damals Schneeschuhen genannten Brettern - etwa auf das Stuhleck. Mit dem ersten internationalen Skiwettlaufen im Jahr 1893 konnte Schruf auch zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer nach Mürzzuschlag locken. „Er wusste, dass man mit der Eisenbahn auch von größeren Städten gut anreisen konnte“, sagt Habermann. „Die Veranstaltung war ein großer Erfolg.“

Weite von 12,06 Metern reichte zum Sieg

Im Jahr 1904 konnte er die „Nordischen Spiele“ nach Mürzzuschlag holen - „ein Vorgänger der Olympischen Winterspiele“, wie Habermann ausführt.

Dazu wurde auch die Ganzsteinschanze errichtet, wie dem Skisprungschanzen-Archiv zu entnehmen ist. Es war die erste Skisprungschanze Österreichs. Der damals beste Springer kam aus Norwegen, wo das Skispringen seinen Ursprung hat. Wilhelm Wettergreen durfte aber nur außer Konkurrenz starten, wie es im Joanneum-Blog heißt. Gewonnen hat demnach der Wiener Paul Pichler. Er erreichte mit seinem Sprung eine Weite von 12,06 Metern. Wettergreen schaffte indessen 23,92 Meter.