„Es ist Nacht und ich warte darauf, daß du von New-York anrufst. Die Hunde schlafen um mich herum, und das Grammophon spielt, – Platten, die ich gefunden habe, – easy to love – I go you under my skin awake from a dream– Zärtliche! Geliebte! Sanfte!“ So lesen sich die ersten Zeilen des Liebesbriefes, den der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque am 25. November 1937 an die deutsche Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich schrieb. Worte, die Veronika Fischer unter die Haut gehen. Sie beschäftigt sich als Liebesbriefe-Ghostwriterin beruflich mit dem Genre. Zwei bis drei Anfragen, einen Liebesbrief zu verfassen, bekommt sie in der Woche. Dabei geht es nicht immer um partnerschaftliche Liebe. Es seien auch Eltern, die Briefe an ihre Kinder schreiben, die heiraten oder ausziehen, Enkelkinder, die ihren verstorbenen Großmüttern einen Abschiedsbrief widmen, oder Menschen, die einem ganzen Freundeskreis einen Liebesbrief schreiben lassen. „Ganz unterschiedliche Menschen und ganz unterschiedliche Settings, vom Studierenden bis zum Rentner, vom LKW-Fahrer bis zur Hochschulprofessorin ist alles mit dabei“, erzählt Veronika Fischer.
So mannigfaltig wie das Klientel ist auch der Zugang der Texterin. „Jede Geschichte ist anders. Deshalb habe ich keinen genauen Fahrplan, sondern lasse mich einfach darauf ein, was ich höre.“ In einem ausführlichen Gespräch spürt die 36-Jährige den genauen Beweggründen ihrer Auftraggeber nach. Erst danach greift sie zum Stift oder haut vielmehr in die Tasten. Denn die händische Niederschrift sollte vom Absender persönlich stammen. Ob sie auch schon einmal einen Auftrag abgelehnt hat? „Ja. Wenn ich das Gefühl habe, dass es um etwas anderes geht, eine Trennungsaufarbeitung zum Beispiel oder um einen Streit, dann bin ich nicht die richtige Adresse.“ Das sei aber eher selten.
Warum Menschen ihre Liebesbriefe nicht selbst schreiben? „Ich vergleiche das gerne mit meiner Steuerberaterin. Ihren Dienst nehme ich auch gerne in Anspruch, weil ich mich mit Steuern nicht gut auskenne. Da bin ich froh, wenn ich Hilfe habe. So sehe ich auch meine Arbeit“, verdeutlicht Veronika Fischer. Bei vielen Menschen merke sie eine große Unsicherheit, ihre Gefühle schriftlich in Worte zu fassen. Vor allem dann, wenn man einen besonders wichtigen und wertvollen Brief schreiben will. Heutzutage würde viel Kommunikation – auch Liebesbezeugungen – ins Digitale verlagert, nicht nur das Dating. „Aber das Analoge hat noch immer viel Substanz“, ist Veronika Fischer überzeugt. „Wenn man das Handy verliert oder man etwas löscht, ist alles weg. So ein Liebesbrief hat Bestand. Den kann man nach 20 Jahren zufällig in einer Kiste oder in einem Buch finden und sich dann wieder freuen.“