Häuser vom Fach
Ein Hoch auf Niedersachsen: Die mittelalterlichen Städte Goslar und Wolfenbüttel sind über den Flughafen Hannover leicht zu erreichen. Eine geführte Rundreise.
Von Robert Benedikt
Fällt der Name des zweitgrößten deutschen Bundeslandes, denkt man fast automatisch an Volkswagen. Der größte Autobauer der Welt hat schließlich seinen Sitz im niedersächsischen Wolfsburg. Aber der Neuwagengeruch ist bei Weitem nicht die einzige Attraktion der Region im Nordwesten der Bundesrepublik.
„Unser mittelalterliches Stadtbild ist geprägt von Fachwerkhäusern, historisch und vor allem historisch bedeutsamen Gebäuden“, sagt Oliver Junk, Bürgermeister der niedersächsischen Stadt Goslar, die im heurigen Sommer von schweren Überschwemmungen durch Tief „Alfred“ heimgesucht und kürzlich von Sturm „Herwart“ zerzaust wurde.
Die Schäden sind bereits Geschichte in der Stadt, die, genauso wie das in ihrer Peripherie liegende, stillgelegte Erzbergwerk Rammelsberg von der Unesco zum Weltkulturerbe erhoben wurde.
Um die zahlreichen Kleinode am Fuße des Brockens näher kennenzulernen, empfiehlt es sich, einen Stadtführer zu nehmen. Paul Klein aus Hamburg ist so einer.
Er beginnt den Rundgang mit seinen Gästen auf dem Marktplatz. Neben dem Rathaus mit dem prächtigen Huldigungssaal und der Kaiserworth, dem früheren Gildehaus der Tuchhändler, ist vor allem das Glockenspiel ein Besuchermagnet. Viermal täglich erzählen die bunten Figuren zur Melodie des Steigerliedes die Geschichte des Bergbaus und der Stadt. Ein Paradebeispiel dafür, wie gut die Bürgerhäuser in Goslar erhalten sind, ist das Siemenshaus. Man kann es nicht verfehlen. Denn das Stammhaus der Industriellenfamilie Siemens in der Schreiberstraße, erbaut im Jahr 1693, gehört zu den größten und am besten erhaltenen Bürgerhäusern Goslars.
Draußen vor der Stadt liegt das 1988 stillgelegte Erzbergwerk Rammelsberg, das die 1000-jährige Bergbaugeschichte in vier Museumshäusern und bei Führungen unter Tage zeigt.
Ebenso wie Goslar liegt Wolfenbüttel im Süden von Hannover und ist vom dortigen Flughafen aus leicht zu erreichen. In der Stadt hat sich infolge der vergleichsweise geringen Kriegsschäden ein geschlossenes historisches Stadtbild erhalten. Damit das auch so bleibt, gewährt Wolfenbüttel seit 1974 den Hauseigentümern finanzielle Zuschüsse, wenn sie sich bereit erklären, eine denkmalgerechte Sanierung vorzunehmen.
Stadtführer Paul Klein führt aus: „Ein besonders gelungenes Beispiel für den Erfolg dieser Aktion ist die gelungene Sanierung zahlreicher kleiner Fachwerkhäuser in der Krummen Straße.“ Zum Unmut der Historiker hat die Stadt die Sanierungslinie aber nicht überall durchgehalten. So fügte etwa der wuchtige Neubau einer Bank am Kornmarkt dem geschlossenen Stadtbild erheblichen Schaden zu.
Zurück in Hannover sollte man sich eine nächtliche Wanderung durch die Landeshauptstadt mit dem Nachtwächter Melchior gönnen. „Wir treffen wichtige Persönlichkeiten aus der Geschichte der Stadt, die uns Erlebnisse, Sorgen und Freuden unserer Vorfahren auf genussvolle und amüsante Weise darstellen“, erzählt der in einen schwarzen Mantel gehüllte und behütete Stadtführer und hat stets schaurige Schnurren über Henkersschicksale und Mörderbanden auf den Lippen. Nach dem Rundgang gibt's Bänkelsang, Bier und Laugengebäck. So schmeckt Geschichte.
ROBERT BENEDIKT