Ob jener Tulpenbaum, der im fernen Neuseeland das Grab des Künstlers Friedensreich Hundertwasser schmückt, tatsächlich aus einem Samen des über 400-jährigen Magnoliengewächses der barocken Schlossanlage Marchegg stammt, ist nicht eindeutig erwiesen. Es war zumindest der Wunsch des Umweltschützers, den er während seines Besuches des WWF-Auenreservats Marchegg in den 1990er-Jahren hegte.
Hundertwasser befand sich auch unter jenen Umweltaktivisten, die ein paar Kilometer südlicher mit ihrer legendären Aubesetzung in den 1980er-Jahren den indirekten Grundstein für den Nationalpark Donau-Auen legten. Die beiden Aulandschaften ziehen sich wie ein grünes Band zwischen Wien und Bratislava durch ungezähmte Wildnis und umranden die Ebenen des Marchfeldes.
Ein Griss‘ war schon immer um dieses Fleckchen Erde. Bereits 1278 wurde es zum Schauplatz großer Weltgeschichte: Rudolf I. besiegte in der Schlacht am Marchfeld Ottokar II. von Böhmen und wurde so zum Urvater der Habsburgerdynastie in Österreich. Und peu à peu entdeckte der Adel das wilde Paradies der Tiere als jagdliche Spielwiese, machte das Land besonders in der Barockblüte zur Bühne höfischer Jagd- und Festkultur. Die fünf Juwele des Marchfelder Schlösserreichs laden heute als steinerne Zeugen glanzvoller Epochen auf Zeitreisen ein. Sie haben oft lange Phasen des Dornröschenschlafs übertaucht und stehen heute topsaniert den Besuchern offen.
In neuem, alten Glanz
Der Diamant unter ihnen: Schloss Hof! Nach dem Schloss Belvedere in Wien verwirklichte sich hier der kunstsinnige Feldherr Prinz Eugen von Savoyen wieder als Bauherr. Auf dem 70-Hektar-Areal wird die faszinierende Welt des Barocks auf dem Silbertablett serviert. Dem Gang durch die Prunkräume und Gemächer von Eugens Nachbewohnerin Kaiserin Maria Theresia folgt das Lustwandeln im Barockgarten mit seiner vierstöckigen Kaskade, den sieben Terrassen, an denen einst 800 Gärtner werkelten, 400 Alleebäumen und drei Kilometern Hecken aus Feldahorn.
Der Gutshof bietet eine 200 Tiere starke Parade 17 altösterreichischer Rassen, darunter der seltene Weiße Barockesel oder als steirische Delegation das Sulmtaler Hendl. Für den Überblick empfiehlt sich eine Lipizzaner-Kutschenfahrt.
Lust und Leid
Einen Steinwurf entfernt offenbart sich ein weiteres Kleinod des Feldherrn, das später ebenfalls in den Besitz der Kaiserin überging: Schloss Niederweiden. 1693 für Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg – Verteidiger Wiens während der zweiten Türkenbelagerung – als Jagd- und Lustschlösschen erbaut, bezaubert es heute mit der Leichtigkeit seiner Architektur, dem verspielten Garten und einer originalen Wildbretküche, die rauschende Feste erahnen lässt.
Wo ein 27 Hektar großer englischer Landschaftspark mit den Donau-Auen verschmilzt, erliegt man dem Charme des feinen Barockschlosses Eckartsau. Denn auf diesem kaiserlichen Jagdschloss, dem vor allem Thronfolger Franz Ferdinand, der hier seiner unbändigen Jagdlust frönte, seinen Stempel aufdrückte, schloss sich der Kreis der 640-jährigen Habsburg-Regentschaft.
Wo Adebar nistet
Der letzte Kaiser, Karl I., wartete hier nach Unterzeichnung seiner Verzichtserklärung auf die österreichischen Regierungsgeschäfte drei Monate auf sein Schicksal, bevor es im März 1919 ins vorläufige Exil in die Schweiz ging. Originalurkunden, Fotos und persönliche Gegenstände lassen dies nachfühlen, umrahmt von barocken Augenweiden, wie dem gewaltigen Stiegenaufgang oder dem Goldkabinett mit Originaltapeten. Sie erzählen von fröhlicheren Zeiten.
Die Habsburger lenkten auch jahrhundertelang die Geschicke des mächtigen Renaissance-Juwels Schloss Orth im Nationalpark Donau-Auen lenkten, die besonders Naturbeobachter Kronprinz Rudolph sehr am Herzen lagen. Heute liegt im Zentrum des Nationalparks der Fokus ganz auf der Natur. Auf der Schlossinsel lässt sich die Flussaulandschaft auf kleinstem Raum erleben.
Tierisch edel geht es heute rund ums und auf Schloss Marchegg zu. Seit 130 Jahren wählen hier Adebars die noblen Schloss-Schornsteine und uralten Baumkronen der March-Auen als Brutstätten und faszinieren als größte Weißstorchkolonie Mitteleuropas. Bis sie – rund 200 an der Zahl – ab dem Spätsommer gen Süden aufbrechen. Der eine oder andere vielleicht zu Hundertwassers Grab.
Regina Rauch-Krainer