Einen Steinwurf von der Insel Lido und einen gefühlten Katzensprung von San Marco entfernt, verbirgt sich ein unter Venedigbesuchern weithin kaum bekannter kultureller Schatz. Das idyllische, die gesamten drei Inselhektar einnehmende Kloster des armenischen Mechitaristenordens hütet auf San Lazzaro degli Armeni eine rund 200.000 Bände umfassende Bibliothek der armenischen Kultur, darunter stolze 5000 Handschriften aus dem 9. bis 18. Jahrhundert.
Im Mittelalter Quarantänestation für Leprakranke, überließen die Dogen von Venedig im Jahre 1717 dem Gründer des römisch-katholischen Ordens Mechitar von Sebasteia und seinen 17 Mönchen die Insel als Kraftplatz und Stätte ihres Klosters. Die Mönche verschrieben sich von Anfang an der Aufgabe, den Diaspora-Armeniern eine geistige Heimat zu bieten. Das Kloster gilt bis heute als deren bedeutendstes geistiges Zentrum.
Fasziniert von all der geistigen Fülle, büffelte sogar Dichter Lord Byron hier in klösterlicher Abgeschiedenheit armenische Vokabel. Heute gibt es einmal täglich die Chance, von einem der rund ein Dutzend Mönche an diesem großartigen Ort der Stille, der Geschichte, Mystik und Demut zu einer Führung empfangen zu werden. Es ist wie ein Eintauchen in eine völlig andere, geheimnisvolle Welt von gestern, an die man sich gerade in diesen Tagen wieder weltweit mehr erinnert.
Regina Rauch-Krainer